Nach US-Budgetstreit: Nur flüchtiger Sieg für Obama
Nach seiner Erklärung will Obama ohne Fragen wieder aus dem Pressesaal entschwinden, da ruft jemand: “Mr. President, wird das in einigen Monaten nicht von vorn losgehen?” Der Präsident belässt es bei einem knappen “Nein”. Gelächter bricht aus.
Seit Jahren taumeln die USA in der Haushaltspolitik von einer Krise in die nächste. Auch der jüngste Deal hält gerade einmal bis Anfang des kommenden Jahres vor. Die Schuldenobergrenze erhöhte der Kongress bis zum 7. Februar, der Übergangshaushalt läuft sogar nur bis zum 15. Jänner. Mitten im Weihnachtsgeschäft könnten Verbraucher also erneut durch Washingtoner Volksvertreter verschreckt werden, die das Land auf einen finanziellen Abgrund zusteuern.
Shutdown kostete 24 Milliarden Dollar
“Wenn die Menschen besorgt sind, dass die waghalsige Politik mit dem Risiko eines Verwaltungsstillstands oder Schlimmerem wiederkehrt, werden sie ihre Geldbeutel weiterhin nur ängstlich öffnen”, analysiert die US-Chefvolkswirtin der Ratingagentur Standard & Poor’s, Beth Ann Bovino. Die Kosten des gerade beendeten “Government Shutdown” beziffert S&P auf 24 Milliarden Dollar.
Obama ist das Problem durchaus bewusst. “Wir müssen die Angewohnheit ablegen, im Krisenmodus zu regieren”, sagt der Präsident bei seinem Auftritt vor der Presse. Nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen habe er aber die “Hoffnung und die Erwartung”, dass “jeder gelernt hat, dass es keinen Grund gibt, warum wir bei den bevorstehenden Fragen nicht zusammenarbeiten können”.
Seit September haben die USA ein äußerst fragwürdiges Politikdrama geboten. Angetrieben von ihrem erzkonservativen Tea-Party-Flügel schalteten die Republikaner im Repräsentantenhaus bei der Verabschiedung eines Etats für das neue Haushaltsjahr und der Anhebung des Schuldenlimits auf stur und bestanden auf der Demontage von Obamas Gesundheitsreform. Moderate Republikaner kritisierten die Strategie von Anfang an als Kamikazekurs, weil der Präsident sein Prestigeprojekt nie fallen lassen würde. In der Tat blieb Obama hart und ließ die Tea Party wissen, er lasse sich nicht “erpressen”.
Mahnung an die US-Politik
Die Welt beobachtete mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen, wie sich die bedeutendste Volkswirtschaft selbst lähmte. Eine Gruppe radikaler Staatsskeptiker in Washington schien nicht davor zurückzuschrecken, auch großen Schaden für das Finanzsystem und die globale Konjunktur in Kauf zu nehmen. Die Finanzminister der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer weltweit (G-20) richteten bei ihrem Treffen in Washington vor knapp einer Woche daher eine deutliche Mahnung an die US-Politik.
Nach 16 Tagen Verwaltungsstillstand und wenige Stunden vor Fristende für die Erhöhung der Schuldenobergrenze knickten die Republikaner am Mittwoch dann ein. In US-Medien wurde der Haushaltskompromiss als klarer Sieg für Obama gewertet: Die Gefahr eines Staatsbankrotts ist gebannt, die Bundesverwaltung kann auf Grundlage des Übergangshaushalts ihre Arbeit wieder aufnehmen, und die Gesundheitsreform hat die Verstümmelungsversuche fast unbeschadet überstanden. Die Republikaner konnten nur eine schärfere Prüfung von Staatsbeihilfen für Krankenversicherungen durchsetzen.
“Wir haben gut gekämpft, wir haben einfach nicht gewonnen”, räumt der Chefrepublikaner im Repräsentantenhaus, John Boehner, in einem Radiointerview ein. Weil eine umfassende Lösung wieder einmal auf die lange Bank geschoben wurde, handelt es sich aber allenfalls um einen flüchtigen Triumph für den Präsidenten. Solange der Haushaltsstreit als dunkle Wolke über Washington hängt, dürfte Obama in seiner verbleibenden Amtszeit bei anderen großen innenpolitischen Projekten wie einer Einwanderungsreform nur schwer vorankommen.