Internationale Pressestimmen zur Lage in Ägypten
“The Times” (London):
“Präsident Obama kann (beim Sturz Präsident Mursis durch das Militär) nicht von einem Putsch sprechen. Täte er das, so würde nach US-Recht automatisch die amerikanische Militärhilfe an Ägypten gestoppt, die das beste Mittel des Westens ist, das Land auf den Weg der Demokratie zurückzuführen. Die Wortspielerei Washingtons ist unredlich, doch kann man hoffen, dass dieser Umsturz ein gutes Ende nimmt. Die Kundgebungen der vergangenen Woche haben bis zu 14 Millionen Gemäßigte mobilisiert, sehr viel mehr als Anhänger der ägyptischen Islamisten. Welche Worte Obama auch immer wählt – er muss den ägyptischen Generälen klar ihre Aufgabe vor Augen führen: Sie dürfen die Demokratie nicht zerstören, sie müssen sie schützen.”
“de Volkskrant” (Amsterdam)
“Bei aller Unsicherheit über den weiteren Verlauf dieser Revolution steht eines fest: Ägypten wird noch eine lange Periode der Instabilität durchmachen. Nichts weist darauf hin, dass die Muslimbrüder wirklich verstehen, dass sie zu weit gegangen sind und sich besser am gemäßigten Kurs ihrer Geistesverwandten in Tunesien orientiert hätten. Doch das gegnerische Lager zeigte mit dem Applaus für die Schließung von Fernsehsendern und die Festnahme von Spitzenleuten der Muslimbrüder durch die Armee, dass dort nur eine beschränkte Vorstellung von Demokratie vorherrscht. Institutionen, die für eine gegenseitige demokratische Kontrolle sorgen könnten, sind nur schwach entwickelt.”
“Neue Zürcher Zeitung”:
“Das Experiment Ägyptens mit der Demokratie ist, zumindest vorläufig, gescheitert. Der Fall Mursis wird in den Augen vieler und weit über Ägypten hinaus die These bestätigen, dass Demokratie ein leeres Schlagwort ist, das nur so lange gilt, als sie nicht den Islamisten den Weg an die Macht ermöglicht. Wie in Algerien im Jahr 1992 und in Palästina 2006 ist in Ägypten ein islamistischer Wahlsieg sabotiert worden. Das ist Wasser auf die Mühlen jener, die den bewaffneten Kampf als einziges Mittel anpreisen, den Muslimen zu ihrem Recht zu verhelfen. Die Prediger des Jihad können nicht nur in Ägypten auf neue Rekruten zählen.”
(APA)