Schon Höhlenmenschen pflegten ihre Haare
Die Exposition mit dem Titel “Cheveux Cheris” (“Liebe Haare”) räumt auch mit dem Vorurteil vom Höhlenmenschen mit wirrem Wuschelhaar auf.
Menschheit modebewusst seit 21.000 Jahren
“Menschen schneiden ihre Haare und frisieren sich seit mindestens 21.000 Jahren vor Christi”, versichert Yves Le Fur, Kurator der Ausstellung, die bis kommenden Juli zu sehen ist. Einen Schwerpunkt bilden alle Arten von Gegenständen, mit denen Menschen in Afrika, im ozeanischen Raum und in Lateinamerika ihre Häupter schmückten – von Juwelen über Perücken, Talisman-Objekten bis hin zu Skalpen. Bei der Ausstellung über die Tausende von Jahren alte Geschichte des Haarschmucks geht es aber auch um die Frage, inwieweit wir uns mit unseren Frisuren identifizieren, wie sich die Mode ändert, warum manche Menschen ihre Haare wachsen lassen und andere sie abrasieren – oder auch, wie wir reagieren, wenn wir unsere Haare verlieren.
Eine Reihe von Marmor- und Bronzebüsten zeigt Prominente aus Europa vom 16. bis 19. Jahrhundert und stellt sie nicht weniger aufwendig frisierten Persönlichkeiten aus Afrika und China gegenüber. Zu sehen ist auch eine Statue aus dem 14. Jahrhundert, die Maria Magdalena mit bis zu den Knöcheln reichender Haarpracht zeigt.
Was das Haar über uns aussagt…
Riesenplakate von Stars wie Brigitte Bardot und Ava Gardner erinnern an den Mythos von Leinwand-Legenden, die mit ihren langen blonden, braunen oder roten Mähnen verführten. Ein Video konfrontiert Punk-Mohikaner mit ähnlich auffälligen Frisuren in westlichen Gesellschaften. Haare können auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaftsschicht symbolisieren: Bei den Karolingern im Mittelalter etwa ließen Königinnen ihr Haar lang wachsen. Anderswo dienten lange Haare als Zeichen für Frömmigkeit, Trauer oder auch für einen rebellischen Geist, wie bei den Hippies der 60er-Jahre.
Soldaten, Mönche und Skinheads wiederum haben eines gemeinsam: Sie scheren ihre Köpfe kahl. “Haare haben keine feste Bedeutung”, erläutert Le Fur. Sie seien vielmehr Teil eines sozialen Verhaltenskodexes. Ein anderer Teil der Ausstellung geht der Frage nach, wie wir uns verhalten, wenn wir unsere Haare verlieren – freiwillig oder nicht. Da sind etwa drei zusammengebundene blonde Strähnen von “Emma”, einer jungen Frau, die im Jahre 1900 ihre Haare abschnitt, um in ein Karmeliter-Kloster zu gehen.
…und warum es Brücke zwischen Leben und Tod schlägt
Videos mit Aufnahmen aus dem Jahre 1944 zeigen junge Französinnen mit kurz geschorenen Haaren, die von einem hasserfüllten Mob ausgebuht werden, weil sie sich mit deutschen Soldaten eingelassen hatten. Diese Bilder träfen den Kern der Sache, betont Helene Fulgence, die Ausstellungsleiterin des Museums. “Diese Frauen wurden nicht verletzt, die Haare wachsen nach.” Dennoch seien sie Opfer von “Folter und Demütigung” geworden. “Dies sei der letzte Beweis dafür, dass unsere Haare Teil der Menschenwürde sind.”
Zum Abschluss präsentiert die Ausstellung diverse Ritualobjekte, die aus menschlichem Haar hergestellt wurden, sowie “Schrumpfköpfe”, die Ureinwohner im Amazonas-Gebiet als Trophäen aufbewahren. “Haare verwesen nicht”, erläutert Le Fur. Insofern schlügen sie auch eine Brücke zwischen dem Leben und dem Tod.
(APA)