Demnach war Bin Laden alarmiert über “Fehler” Verbündeter in Ländern wie dem Irak und Jemen und wütend darüber, dass er diese Gruppen nicht kontrollieren konnte. Das Terrorismus-Zentrum der US-Militärakademie West Point machte am Donnerstag rund 175 der 6.000 Seiten an Papieren auf seiner Webseite publik. Begleitet wurde die Veröffentlichung von Experten-Analysen.
Auf 174 Seiten niedergeschrieben
Die Briefe und Briefentwürfe, die von September 2006 bis zum April 2011 datieren, umfassen 175 Seiten. Die Schreiben sind Teil der mehr als 6.000 Dokumente, die bei dem Kommandoeinsatz am 2. Mai 2011 im Versteck Bin Ladens in Pakistan beschlagnahmt worden waren. Verfasst wurden die Briefe von Bin Laden und andere ranghohen Vertretern von Al-Kaida sowie verbündeten Gruppen aus dem Jemen, Somalia und Pakistan.
Bin Laden wollte muslimische Todesopfer vermeiden
Demzufolge war Bin Laden erzürnt über “schlecht geplante Operationen” der Verbündeten, die zum “unnötigen” Tod tausender Muslime geführt hätten. In einem Schreiben vom Mai 2010 etwa klagte Bin Laden, dass darum die Sympathie für Al-Kaida in der muslimischen Welt schwinde. Er ordnete an, Vorsicht walten zu lassen und bei den Angriffen muslimische Todesopfer so weit wie möglich zu vermeiden. Sollte dies nicht befolgt werden, würde dies “uns zu Siegen in einigen Schlachten führen, während wir den Krieg am Ende verlören”, schrieb er.
Namensänderung für Al-Kaida
Bin Laden wünschte sich den veröffentlichten Dokumenten zufolge eine “neue Phase” im Jihad herbei, um das Vertrauen der Muslime zurückzugewinnen. In einem undatierten und nicht unterschriebenen Brief wird sogar über eine Änderung des Namens von Al-Kaida nachgedacht. Der Autor schlägt mehrere Namen mit stärkerem islamischen Bezug vor, um die Identifikation der Muslime mit dem Terrornetzwerk zu stärken. “Dieser Name (Al-Kaida) erlaubt dem Feind die falsche Behauptung, dass er sich nicht im Krieg mit dem Islam und den Muslimen befindet, sondern mit der Organisation Al-Kaida”, heißt es.
Gedanken eines isolierten Mannes
Insgesamt geben die Dokumente Einblick in die Gedankenwelt eines zunehmend isolierten Mannes, wie Terrorismusexperte Peter Bergen dem Sender CNN sagte. Er hatte nach eigenen Angaben bereits vor der Veröffentlichung Zugang zu mehreren Dokumenten erhalten. Bergen zufolge war Bin Laden so stark über die Zukunft der Al-Kaida besorgt, dass er über eine Änderung des Namens der Organisation nachdachte. Er habe auch immer stärker amerikanische Drohnenangriffe auf terroristische Ziele in Pakistan gefürchtet.
Bäume sollten gepflanzt werden
Wie Bergen weiter sagte, zeigte Bin Laden auch zunehmend einen Hang dazu, sich um jede Kleinigkeit zu kümmern – ein Zeichen seines verzweifelten Versuches, die Kontrolle über die Al-Kaida zu behalten und weiter “bedeutend” zu sein. So habe er in einem Fall Verbündeten in Nordafrika geraten, Bäume zu pflanzen, damit sie sich im Fall von Drohnen- und anderen Angriffen darunter verbergen könnten.
Bin Laden war Staatsfeind Nummer eins
Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington mit fast 3.000 Toten war Bin Laden der Staatsfeind Nummer eins der USA. Fast ein Jahrzehnt konnte er sich verstecken, bis die US-Geheimdienste ihn und seine Familie im pakistanischen Abbottabad aufspürten. Eine US-Spezialeinheit stürmte das Anwesen in der Nacht zum 2. Mai 2011 und erschoss den Al-Kaida-Chef.