Wulff nimmt Abschied mit "Gefühl der Neugier"

“Vielfalt, Weltoffenheit, Freiheit und sozialer Ausgleich – das macht unser Land aus und stark”, sagte Wulff laut Redetext am Donnerstagabend bei einem Empfang in Berliner Schloss Bellevue. Der “Dialog der Kulturen” sei dabei von entscheidender Bedeutung. Anschließend sollte Wulff mit einem “Großen Zapfenstreich” verabschiedet werden.
Zu seiner persönlichen Zukunft sagte Wulff nur: “Ich gehe mit dem Gefühl der Neugier und der Vorfreude auf das, was kommt.” In 37 Jahren politischer Tätigkeit habe er “Höhen und Tiefen” erlebt. Vor allem habe er aber die Erfahrung gemacht, “dass es wichtig und letztlich erfüllend ist, sich politisch zu engagieren”. “Ich ermutige gerade junge Menschen, sich auf das Wagnis Politik einzulassen.” Auf die Umstände seines Rücktritts vor drei Wochen ging der zehnte Präsident der Bundesrepublik Deutschland laut Redemanuskript nicht ein. Auch zu der Kritik an seinem künftigen “Ehrensold” von annähernd 200.000 Euro pro Jahr äußerte sich das bisherige Staatsoberhaupt nicht. Gegen Wulff ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover wegen des Verdachts, dass er in seiner Zeit als niedersächsischer CDU-Ministerpräsident von einem befreundeten Unternehmer geldwerte Vorteile in Anspruch nahm.
Wulff äußerte laut dem Manuskript Bedauern, dass er seine Amtszeit von fünf Jahren nicht zu Ende bringen konnte. Wörtlich sagte er: “Diesen Anlass hatte ich mir für das Jahr 2015 vorstellen können. Nun ist es anders gekommen.” Er erinnerte an einen Spruch des Dichters Wilhelm Busch: “Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.” Seinem Nachfolger wünsche er “eine glückliche Hand für Deutschland und breite Unterstützung”.
Seehofer: Wichtige Impulse
Als interimistisches Staatsoberhaupt würdigte Bundesratspräsident Horst Seehofer die Verdienste des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff in dessen kurzer Amtszeit. Es sei Wulff um ein Deutschland gegangen, “das offen ist für die Vielfalt der Traditionen und Kulturen”, sagte Seehofer am Donnerstag laut Redetext anlässlich des “Großen Zapfenstreichs” in Berlin. “Hiefür haben Sie wichtige Impulse gegeben”, sagte Seehofer. “Wichtig war Ihnen der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft – zwischen Arm und Reich, Alt und Jung, Behinderten und Nichtbehinderten, Ost und West, Einheimischen und Zugewanderten.”
“Das mutige Eintreten für die Grundwerte einer offenen Gesellschaft, für Toleranz, für Religionsfreiheit, für die Menschenrechte, das ist eine weitere wichtige Aufgabe, die ein Bundespräsident im In- und Ausland wahrnehmen kann. Sie, lieber Christian Wulff, haben dies in würdiger Form und ruhigem Ton getan (…) Sie waren ein guter Vertreter des modernen Deutschlands”. Wulff selbst kündigte in seiner Erwiderung an Seehofer an, seine Frau und er würden sich “weiterhin engagiert für unser Land und seine Menschen einsetzen”. (APA)