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Pensionistin um 78.000 Euro erleichtert - Prozess um fiesen Neffentrick

Der Gericht will mehr Beweise, daher wurde die Verhandlung vertagt.
Der Gericht will mehr Beweise, daher wurde die Verhandlung vertagt. ©Bilderbox
Opfer des alten Neffentrick wurde eine 68-jährige Pensionistin aus Wien. Doch zumindest ein Teil der vermeintlichen Bande konnte sehr schnell geschnappt werden. Die Frau stand am Mittwoch erstmal vor Gericht.

“Ich hab’ mich gefühlt, als wär’ ich unter einer Fuhre Schotter begraben”, hat sich am Mittwoch im Wiener Straflandesgericht eine 68-jährige Frau an jenen Moment erinnert, als ihr klar wurde, dass sie Opfer einer kriminellen Bande geworden war, die in der Bundeshauptstadt mit dem sogenannten Neffentrick operiert. Ein Unbekannter hatte die Frau am 15. November 2011 angerufen und den Eindruck erweckt, er wäre ihr guter Freund Adriano, der dringend Geld benötige. Der Anrufer brachte die 68-Jährige schließlich dazu, dass sie einer 40-jährigen “Botin”, die vorgab, Adriano die Münzen und das Bargeld zu übergeben, Philharmoniker-Goldmünzen im Wert von 48.000 Euro und 30.000 Euro in Scheinen aushändigte.

Perfekte Organisation für Neffentrick

Die Botin, die sich als “Frau Schmid” vorstellte und nach Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden wie auch der Rest der involvierten Bande aus Polen stammt, hatte sich nun wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Herwig Handsur) zu verantworten. Sie behauptete, nicht Teil einer kriminellen Organisation zu sein, sondern von einem Landsmann für 200 Euro angeworben worden zu sein, um das Geld der 68-Jährigen abzuholen. “Ich wusste, dass die Sache stinkt, als er mir gesagt hat, ich soll mich als ‘Schmid’ vorstellen”, erklärte die Angeklagte.

Massive Steigerung beim Neffentrick

Wie Staatsanwalt Florian Pöschl darlegte, hat es in vergangener Zeit in Wien eine “massive Steigerung der ‘Neffentrick’-Betrügereien mit enormen Schäden gegeben”. Mehrere, stets von Polen aus operierende Banden suchen im Telefonbuch gezielt nach Personen mit Vornamen, die auf betagte Menschen schließen lassen. “Einen Justin würde man nicht anrufen”, bemerkte Pöschl.

Gezielte Suche nach älteren Menschen

Die Organisation, der die Angeklagte angehören soll, dürfte so auch auf die 68-Jährige gekommen sein. Indem sie der Anrufer mit dem Vornamen ansprach und ein “Erkennst du mich?” hinzusetzte, suggerierte er der vermögenden Pensionistin, ihr guter Freund Adriano wäre am anderen Ende der Leitung. Der vermeintliche Adriano erzählte er ihr dann, er sitze gerade beim Notar und habe ein Haus gekauft. Er benötige allerdings 60.000 Euro als Überbrückungshilfe. Ob sie ihm nicht aushelfen könne? Sobald die Bankgarantie da sei, bekomme sie ihr Geld zurück.

Gleich “auf die Bank gedüst”

“Ich bin auf die Bank gedüst und habe meine Philharmoniker mit dem Taxi abgeholt”, berichtete die Pensionistin dem Gericht. In immer weiteren Telefonaten in den folgenden Stunden machte ihr der Schwindler dann vor, er werde auch das Grundstück neben dem Haus erwerben, damit ihm keiner etwas vor die Fenster bauen könne. Dafür wollte er weiteres Geld. Mehr als 30.000 Euro konnte die 68-Jährige am selben Tag aber nicht mehr locker machen: “Zum Glück nicht, sonst hätte ich jetzt gar nichts mehr.”

Zugriff bei der Geldübergabe

Auf die Idee, Verbrechern zum Opfer gefallen zu sein, kam die Frau erst, als sie den richtigen Adriano anrief und feststellen musste, dass dieser weder beim Notar saß noch Kaufabsichten in Bezug auf Immobilien hatte. Daraufhin schaltete sie die Polizei ein. Als der falsche Adriano am selben Abend wieder bei ihr anläutete und weiteres Geld erbat, ging die Pensionistin nach Rücksprache mit den Beamten darauf zum Schein ein. Bei der vereinbarten Geldabholung am folgenden Morgen klickten dann für “Frau Schmid” die Handschellen. Von den Hintermännern und Drahtziehern fehlt allerdings jede Spur.

Die Verhandlung gegen die mutmaßliche Betrügerin wurde zwecks weiterer Beweisaufnahme im Fall Neffentrick auf unbestimmte Zeit vertagt.

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