Frankreich: Super-Steuer für Super-Reiche?

Denn der Sozialist will die oberen Zehntausend des Landes kräftig schröpfen: Ein Steuersatz von 75 Prozent auf Einkommen ab einer Million Euro jährlich schwebt ihm vor – in Europa ein Rekord-Steuersatz.
Selbst Hollandes politische Gegner schienen am Dienstag so verblüfft über den drastischen Vorstoß zu sein, dass ihre Gegenattacken erst zögerlich und dann teils etwas wirr ausfielen. Finanzminister François Baroin hielt dem Sozialisten vor, mit allen Mitteln um Wähler zu kämpfen. “Vielleicht wird der nächste Vorschlag 110 Prozent für Einkommen über zwei Millionen sein”, fügte er hinzu. Der Zentrumspolitiker und Präsidentschaftskandidat François Bayrou rechnete vor, wenn zum Steuersatz von 75 Prozent noch die Sozialabgaben hinzugezählt würden, dann läge die Belastung schon bei hundert Prozent.
Reichen-Flucht aus Frankreich befürchtet
Einig waren sich die Kritiker darin, dass sich die französischen Millionäre ins Ausland absetzen werden. Der konservative Parlamentspräsident Bernard Accoyer warf dem Sozialisten vor, er wolle “die letzten Reichen aus dem Land treiben”. Bayrou wartete mit dem Drohszenario auf, dass Persönlichkeiten wie der frischgebackene Oscar-Preisträger Jean Dujardin dem Land den Rücken kehren könnten. Und auf der Internet-Seite der konservativen Zeitung “Le Figaro” kündigten tatsächlich schon einige Super-Reiche ihre Steuerflucht an.
Hollande hat im Jänner bei der Vorstellung seines Wahlprogramms deutlich gemacht, wofür er Geld braucht: Er strebt nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt für den hoch verschuldeten Staat an, er will auch zehntausende neue Stellen im Bildungswesen schaffen. Bisher hatten ihm Kritiker vorgehalten, dass er offen lasse, wie er dies alles finanzieren wolle. Nun kündigte er klipp und klar an: “Das ist Patriotismus, wenn man akzeptiert, eine Zusatzsteuer zu zahlen, um das Land wieder aufzurichten.”
Hollande gegen die Finanz
Der Sozialist hat dabei vor allem die französischen Spitzenmanager im Visier. Schon im Januar hatte er die Welt der Finanzen zu seinem Hauptgegner erklärt. Hollande grenzt sich damit auch klar von Präsident Nicolas Sarkozy ab, der zu seinem Amtsantritt 2007 die Gesamt-Steuerbelastung bei maximal 50 Prozent gedeckelt hatte und dem nicht zuletzt deshalb der Ruf als “Präsident der Reichen” anhaftet.
Nach Angaben der Sozialisten wären zwischen 7.000 und 30.000 Menschen von der neuen Reichensteuer betroffen. Der sozialistische Bürgermeister von Paris, Bertrand Delanoë, stellte vorsorglich klar, dass nur das zusätzliche Einkommen über eine Million Euro hinaus mit 75 Prozent besteuert werden solle und nicht der gesamte Betrag. Laut europäischer Statistikbehörde Eurostat lag der höchste Spitzensteuersätze 2011 in Europa bei 56,4 Prozent in Schweden.
Deutsche Sozialdemokraten lehnen Steuererhöhungen ab
In Deutschland, wo Hollande schon mit seinen Vorschlägen zur Euro-Krise und zum Fiskalpakt auf Unverständnis gestoßen war, dürfte die Reichensteuer auch bei sozialdemokratischen Parteifreunden eher Kopfschütteln auslösen. SPD-Chef Sigmar Gabriel lehnte erst vor wenigen Wochen eine Reichensteuer klar ab: “Mit einem Überbietungswettbewerb von Steuererhöhungen kann man natürlich keine Wahl gewinnen”, sagte er vor dem SPD-Bundesparteitag im Dezember. Die Sozialdemokraten beschlossen am Ende einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent, einen – moderaten – Reichensteuer-Zuschlag lehnte die SPD ab.
Anerkennung bekam Hollande hingegen von Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon, der ein Linksbündnis zusammen mit den Kommunisten anführt. Den französischen Linken geht Hollandes Reichensteuer noch nicht weit genug: In ihrem Wahlprogramm wird ein Steuersatz von hundert Prozent auf alle Einkünfte gefordert, die über 360.000 Euro pro Jahr liegen.
(APA)