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Übergangsrat: Gaddafi bei Angriff getötet

Gaddafi soll bereits tot sein
Gaddafi soll bereits tot sein ©AP
Die mehr als vier Jahrzehnte währende Herrschaft von Libyens Ex-Machthaber Muammar al-Gaddafi ist endgültig vorbei: Zwei Monate nach seinem Sturz ist der 69-Jährige nach Angaben des Übergangsrates getötet worden.
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Der libysche Ministerpräsident Mahmoud Jibril hat den Tod des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi bestätigt. Jetzt sei es an der Zeit, ein neues, einiges Libyen zu schaffen, sagte Jibril am Donnerstag in Tripolis. “Alle Hinweise, die wir haben, besagen, dass Oberst Gaddafi Geschichte ist”, sagte Informationsminister Mahmud Shammam am Donnerstag dem Nachrichtensender CNN. Gaddafi sei während der Gefechte in seiner Heimatstadt Sirte von Milizionären getötet worden.

Söhne Saif al-Islam und Mutassim ebenfalls getötet

Nach der Tötung des libyschen Ex-Diktators Muammar al-Gaddafi ist am Donnerstagabend in Libyen auch der Tod von dessen Söhnen Saif al-Islam und Mutassim bestätigt worden. Die Leichname der beiden Männer seien in das Krankenhaus von Misrata gebracht worden, berichtete das offizielle libysche Fernsehen.

Auch Washington von Ableben Gaddafis überzeugt

Auch die USA sind nach Angaben aus Regierungskreisen vom Tod des gestürzten libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi überzeugt. Ein ranghoher US-Regierungsvertreter bezeichnete am Donnerstag in Washington entsprechende Informationen, die über diplomatische Kanäle eingegangen seien, als “vertrauenswürdig”. Anders als Deutschland oder Frankreich hat die US-Regierung bisher noch nicht offiziell zum Tod Gaddafis Stellung genommen.

Präsident Barack Obama hatte für 14.00 Uhr (Ortszeit, 20.00 Uhr MESZ) eine Erklärung im Rosengarten des Weißen Hauses angekündigt. Außenministerin Hillary Clinton, die derzeit Pakistan besucht, äußerte sich noch vorsichtig. Sollten sich die Berichte über den Tod Gaddafis bestätigen, wäre dies eine “neue Möglichkeit” für Libyen, sich der Zukunft zuzuwenden, sagte sie.

Fotos des toten Gaddafi aufgetaucht

Unterdessen sind Fotos und erste verwackelte Videos aufgetaucht, die den getöteten ehemaligen Diktator zeigen sollen. Auf einem Bild ist ein Mann zu sehen, bei dem es sich um Gaddafi handeln soll. Er liegt blutend und umringt von Milizionären des Übergangsrates auf dem Boden.

Der arabische Fernsehsender Al-Jazeera zeigte Aufnahmen einer männlichen Leiche, offenbar jene von Libyens Ex-Diktator. Zu sehen ist das Gesicht eines Mannes mit Kinnbart, wie ihn Gaddafi trug. Die Aufnahmen wurden auch im Sender CNN ausgestrahlt.

Umstände noch unklar

Die genauen Umstände des Todes waren am Donnerstag noch unklar. Nach widersprüchlichen Berichten soll Gaddafi entweder während der Flucht aus einem Haus, in einem Autokonvoi, in einem Erdloch oder aber versteckt hinter großen Betonröhren getötet worden sein. Von Gaddafi fehlte seit dem 27. August jede Spur. Neben dem Diktator soll auch dessen Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi und sein Militärchef Abu Bakr Yunus Jabr getötet worden sein. Al-Jazeera zeigte Bilder einer Leiche, bei der es sich um Jabr handeln soll. Die Leiche Gaddafis wurde dem Sender Al-Arabiya zufolge nach Misrata gebracht.

Neue Regierung soll gegründet werden

Sollten sich die Berichte über den Tod Gaddafis und den Fall seiner Heimatstadt Sirte bestätigen, wäre der Weg frei für den Aufbau eines neuen Libyens. Der Übergangsrat hat angekündigt, eine neue provisorische Regierung zu bilden und demokratische Wahlen abzuhalten.

“Heute kann Libyen eine neue Seite in seiner Geschichte aufschlagen und eine neue demokratische Zukunft beginnen”, heißt es in einer Erklärung von EU-Ratspräsident Herman van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

Die Berichte über die genauen Umstände des Todes waren am Donnerstag lange Zeit widersprüchlich. Informationsminister Shammam sagte, Milizionäre hätten versucht, ein Haus in Sirte zu stürmen. Gaddafi habe dann versucht zu flüchten. Er könne aber nicht sagen, ob Gaddafi in dem Haus oder in einem Fahrzeug getötet worden sei.

Der Nachrichtensender Al-Arabiya zeigte am Donnerstag Bilder von dem Ort in Sirte, an dem die Kämpfer Gaddafi angeblich gefunden hatten. Zu sehen sind zwei große Betonröhren, darüber hat jemand auf eine Betonwand gesprüht: “Dies ist der Platz der verfluchten Ratte Al-Gaddafi – Gott ist groß”. Vor den Betonröhren liegen zwei Leichen am Boden.

Nach anderen Berichten starb der Ex-Diktator während eines Angriffs auf einen Fahrzeugkonvoi. Wie ein Reporter der britischen Tageszeitung “Guardian” berichtete, wurde der Konvoi am Donnerstagmorgen von Nato-Flugzeugen angegriffen, als er gerade Sirte verlassen wollte. Die Nato bestätigte am Donnerstag lediglich einen Angriff auf einen Konvoi. Al-Jazeera meldete unter Berufung auf Milizionäre, dass Gaddafi in einem Erdloch gefasst worden war. Der britische Sender BBC zitierte einen Milizionär, wonach Gaddafi gebettelt haben soll: “Nicht schießen, nicht schießen.”

Das Gaddafi sich in Sirte versteckt hatte, ist für viele Beobachter überraschend. Der seit zwei Monaten Flüchtige war in einer Oase im Süden des Landes vermutet worden. Allerdings erklärt sich jetzt, warum in Sirte Gaddafi-Getreue über Wochen hinweg erbitterten Widerstand gegen die Truppen des Übergangsrates geleistet haben.

Letzte Bastion gefallen

Gaddafis Heimatstadt war am Donnerstag als letzte Bastion des Widerstands gegen die neuen Herrscher gefallen. Milizionäre hissten die Flagge des Übergangsrates im Stadtzentrum. Außerdem feuerten sie Salven aus ihren Maschinenpistolen ab. Auch in der Hauptstadt Tripolis herrschte große Freude. “Hier in Tripolis feiern die Menschen schon auf den Straßen”, berichtete der Fernsehsender Al-Arabiya.

Nach den Berichten über den Tod Gaddafis sieht die Europäische Union “ein Ende der Ära von Gewaltherrschaft und Unterdrückung, unter der das libysche Volk zu lange gelitten hat”. Die politische EU-Spitze forderte den Nationalen Übergangsrat Libyens auf, einen “breit angelegten Prozess der Aussöhnung” einzuleiten. Dieser müsse sich an alle Libyer richten und einen “demokratischen, friedlichen und transparenten Übergang im Land ermöglichen”.

Mit der Eroberung Sirtes und dem Tod Gaddafis schließt sich für die Übergangsregierung ein Kreis, der seinen Ausgangspunkt im Februar in der Erhebung gegen den Diktator hatte. Während des Kampfes um die Macht wurde die einstige Rebellenbewegung von der Nato aus der Luft unterstützt, was erheblich zu deren Erfolg beitrug. Als offizielles Datum der Absetzung Gaddafis gilt der 22. August, an dem die Rebellen die Eroberung der Hauptstadt Tripolis meldeten.

40 Jahre an der Macht

Der junge Offizier Gaddafi hatte sich 1969 an die Macht geputscht und versucht, das nordafrikanische Land mit einer Mischung von sozialistischen und islamischen Kriterien zu gestalten. Dem für seine exzentrischen Auftritte bekannten wurden zahlreiche Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Außerdem soll das Gaddafi-Regime in mehrere Terroranschläge verwickelt gewesen sein. Dazu gehörte 1988 der Bombenanschlag auf ein PanAm-Verkehrsflugzeug, das über der schottischen Ortschaft Lockerbie abstürzte. Dabei waren insgesamt 270 Menschen getötet worden. Gaddafis Regierung soll auch hinter dem Bombenanschlag auf die Berliner Diskothek “La Belle” gestanden haben, bei dem in der Nacht auf den 5. April 1986 drei Menschen starben und mehr als 200 andere verletzt wurden.

Goldener Revolver in Hand der Milizen

Seinen goldenen Revolver trug Muammar al-Gaddafi offenbar bis zum Ende bei sich – dann nahmen die Milizen ihm seine Waffe als Kriegstrophäe ab. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Kämpfer eine goldene Pistole in die Luft reckten und den Tod des ehemaligen libyschen Diktators feierten. (APA)

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