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Proteste an der Wall Street beschäftigen New York

Eine "Tea Party von Links" ist es noch nicht, aber die Stimme ist unüberhörbar: Tausende Menschen demonstrieren in den USA derzeit gegen einen ganzen Katalog von Dingen, die nach ihrer Ansicht in den USA und dem Rest der Welt falsch laufen: Das Wirtschaftssystem, die Sozialpolitik, die Justiz, die Klimapolitik - vor allem aber die Macht der Banken. Und mittlerweile erhalten sie auch Solidarität von den Kritisierten selbst - etwa George Soros.
Bilder vom Wall Street Protest

Die Polizei lies die vornehmlich jungen Leute bisher zumeist gewähren – bis zum Wochenende. Die Festnahme von 700 Demonstranten könnte die Situation eskalieren lassen – wenige Tage vor einer geplanten Großdemonstration.

“Besetzt die Wall Street”

Die Aktion “Occupy WallStreet“, “Besetzt die WallStreet“, begann gar nicht in der Börsen- und Bankenstraße, sondern 150 Meter weiter nördlich im Zuccotti Park, einer kleinen Grünfläche am Broadway. Es war auch alles andere als eine Massenbewegung. Nur eine Handvoll Studenten begann vor zwei Wochen ihren Protest gegen die Macht der Banken.

Immer mehr Menschen schlossen sich an, nicht nur in New York, sondern auch in Boston, Seattle, Chicago, San Francisco, Atlanta, Los Angeles und anderen Städten. Und immer mehr Themen kamen hinzu: Die Situation an den Schulen und die allgegenwärtige Energieverschwendung in den USA, Datenschutz und Rassismus. Und nach der Hinrichtung von Troy Davis, der in Georgia als Mörder hingerichtet wurde, aber von vielen als unschuldig betrachtet wird, kam auch das Justizsystem auf die Transparente.

Demonstranten “dagegen, dass das große Geld diktiert”

“Wir wollen WallStreet gar nicht abschaffen”, sagte Jackie Fellner der “Bloomberg Businessweek”. “Das ist nicht arm gegen reich. Es ist dagegen, dass das große Geld diktiert, wer gewählt und was beschlossen wird.” Die 32-Jährige ist selbst Managerin, hat sich dem Protest aber angeschlossen. Ebenso wie Denise Martinez, einer Lehrerin: “Die Ursache des Protests ist, dass die Banken hier an der WallStreet und anderswo die wirtschaftlichen Probleme verursacht haben, sich aber nicht an der Lösung beteiligen.” Die Manager würden schon wieder Millionen kassieren, während sie Klassen mit 50 Schülern unterrichten müsse, beklagte Martinez.

Wenn der Milliardär Warren Buffet sich beklagt, dass er einen geringeren Steuersatz hat als seine Sekretärin, wenn Präsident Barack Obama genau das ändern möchte, ist das Wasser auf die Mühlen der Demonstranten.

Sicherheitslage noch ruhig

Die Polizei griff bisher selten ein. Das Matratzenlager der Studenten in dem kleinen Park wird beäugt, aber New Yorker Polizisten sind einiges gewohnt. Die Kollegen an der WallStreet selbst, die mit Helm und Sturmgewehr eher nach islamistischen Terroristen als protestierenden Amerikanern Ausschau halten, wurden ebenso wenig tätig. Zwar gingen die Polizisten einmal mit Pfefferspray gegen Demonstranten vor und nahmen einige Dutzend fest. Zum Aufschrei kam es erst, als am Sonntag gleich 700 Demonstranten festgehalten wurden. Nach einer Ordnungswidrigkeit, sagt die Polizei. Nach einer Falle, sagen die Demonstranten.

Die Fakten: Einige Tausend Menschen waren aus Richtung WallStreet zur nahen Brooklyn Bridge marschiert. Die Demonstranten nahmen aber nicht den bei Millionen Touristen so beliebten Fußweg, sondern die Fahrspur. Da griff die Polizei zu. Die Demonstranten werfen der Polizei vor, sie in einen Hinterhalt gelockt zu haben: Wie zum Schutze des Protestzuges seien die Beamten vorausgegangen und auf die Brücke. Erst dann hätten sie die Falle zuschnappen lassen.

Die Polizei sieht das ganz anders und veröffentlichte Videos, auf denen Polizisten die Demonstranten per Megafon aufrufen, nicht die Fahrspur der Brücke zu betreten, sonst würden sie festgenommen. Im Hintergrund sind die Sprechchöre der aufgewühlten Menschen nicht zu überhören: “take the Bridge, take the Bridge!”, “nehmt die Brücke!”.

Situation spitzt sich zu – Marsch zur Wall Street geplant

Fast alle Demonstranten waren bald wieder frei. Aber die Aktion könnte den Protestlern weiteren Zulauf bescheren – und die Situation anheizen. Denn mit Spannung wird der Mittwoch erwartet: Dann wollen Tausende – Studenten, Gewerkschafter und einfach nur Unzufriedene – in einem Marsch zur WallStreet von den Bankern fordern, mehr zur Beendigung der Krise beizutragen, die bei den Banken ihren Anfang nahm. (APA)

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