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Der Fall F. vor Gericht: Zweiter Verhandlungstag

In St. Pölten ist am Dienstag der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen den 73-jährigen Josef F. im Inzest-Fall von Amstetten weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten worden. "Das Antlitz Österreichs" | Prozessfahrplan | "Leugende Gesellschaft" | Stichwort: Kontradiktorische Vernehmung |    "Er hat sich einfach geniert" | Videos     Primar Haller analysiert den zweiten Prozesstag!

Er soll in Amstetten seine Tochter 24 Jahre lang gefangen gehalten und sie regelmäßig missbraucht haben.

Dieses Mal war die Öffentlichkeit von Anfang an ausgeschlossen und durfte das Gerichtsgebäude gar nicht betreten. Nur ORF-Reporter erhielten die Gelegenheit im Verhandlungssaal über Minuten hinweg Fragen an den Angeklagten zu richten, was einigen Unmut unter den zahlreichen nach St. Pölten gereisten Journalisten auslöste.

Josef F. war – wie schon beim gestrigen Prozessauftakt – dabei zu keiner Stellungnahme bereit. Er deckte neuerlich sein Gesicht mit einem blauen Aktenordner ab, der Tabellenkalkulationen mit den Unterhaltsaufwendungen für seine Kinder enthielt. “Wie haben Sie den Prozesstag erlebt?” oder “Die Welt fragt sich nach dem Warum. Haben Sie eine Antwort dafür?” wurde Josef F. gefragt, als er in den Saal geführt wurde. Er blieb stumm.

Auf die Frage, weshalb Josef F. sein Gesicht hinter einer Aktenmappe verberge, erwiderte sein Verteidiger Rudolf Mayer im ORF-Interview: “Er hat sich einfach geniert. Darum hat er nichts gesagt.” Der Angeklagte habe sich bisher “kooperativ” verhalten, sagte der Anwalt: “Er hat alle Fragen des Gerichts beantwortet.” Mayer geht davon aus, dass das Verfahren zügig zu Ende gehen wird.

Das Interview löste unter den nationalen und internationalen Medien Ärger aus. “Bestimmte Eigenheiten beim Prozess sind doch typisch österreichisch”, ärgerte sich etwa ein deutscher Berichterstatter. “Ich habe gar kein Verständnis dafür, dass ausgewählte Medien zugelassen sind”, ergänzte eine Kollegin aus Berlin. “Wir können uns ja auch ruhig verhalten und gesittet mit Block und Kuli in die Bank setzen”, meinte eine weiter Journalistin, die die Übertragung im Medienzelt neben dem Gericht verfolgte.

Beim ORF verstand man die Aufregung nicht. Es habe sich an der Ausgangslage gegenüber Montag nichts geändert, sagte ein Sprecher. Das Gericht habe entschieden, dass jeweils vor Prozessbeginn ein Fernseh- und ein Hörfunkreporter sowie ein schreibender Kollege von der APA – Austria Presse Agentur Zutritt zum Gerichtssaal bekomme (dem APA-Redakteur war der Zutritt ins Gerichtsgebäude allerdings verwehrt worden, Anm.). Angesichts des drohenden Chaos, wenn zig Kamerateams und Journalisten den Gerichtsraum stürmen würden, kann der ORF diese Selektion nachvollziehen. Der ORF stelle seine Bilder außerdem als eine Art Host Broadcaster interessierten Sendern zur Verfügung, so der Sprecher.

Gerichtssprecher Franz Cutka konnte die Aufregung ebenfalls nicht, verstehen: Der ORF habe nur “anlässlich der Vorführung” von Josef F. und “vor dem Aufruf zur Sache” gefilmt, betonte Cutka. Um 16.00 Uhr will Cutka die Medienvertreter über den Verlauf des zweiten Verhandlungstags informieren, der aus Opferschutzgründen zur Gänze unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Seine Mitteilungen dürften sehr knapp ausfallen, zumal es dem Gerichtssprecher aus rechtlichen Gründen untersagt ist, sich zum Inhaltlichen zu äußern.

Das Interesse am Prozess selbst hatte sich am Dienstag deutlich reduziert. Das Pressezelt war am frühen Vormittag mit rund drei Dutzend Journalisten eher spärlich besucht. Die Reihen der Fotografen, die vor dem St. Pöltner Landesgericht in erster Linie die postierten Uniformierten ablichteten, hatten sich ebenfalls gelichtet. Großes Interesse gab es an heimischen und ausländischen Zeitungen. Viele Trafiken in der City waren regelrecht leer geräumt.

Die Öffentlichkeit wird am dritten Verhandlungstag gegen Josef F. wieder zugelassen. Das gab Gerichtssprecher Franz Cutka im Rahmen der zweiten Pressekonferenz bekannt. Demnach wird das psychiatrische Gutachten der Sachverständigen Adelheid Kastner ab 9.00 Uhr öffentlich erörtert. Mit dem Urteil sei am Donnerstagnachmittag zu rechnen, sagte Cutka.

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