Wiener Künstler-Disput
Mit der noch in der Ära Bachler fixierten, unter der Direktion Dominique Mentha jedoch geplatzten Volksopern-Produktion von Gaetano Donizettis “Regimentstochter” hat sich am Mittwoch das Arbeitsgericht in Wien befasst. Kammersängerin Edita Gruberova hatte das Haus am Währinger Gürtel auf 1,54 Millionen Schilling geklagt. Nach vierstündiger Einvernahme der beiden prominenten Parteien wurde die Verhandlung auf 11. Oktober vertagt.
Knackpunkt der Auseinandersetzung ist ein Offener Brief Gruberovas an Staatsopern-Direktor Ioan Holender vom vergangenen Jänner. Darin hat die Sängerin gemeint, sie fühle sich in der Causa wie ein “Jonglierball in den Händen von Zirkusdirektoren”. Gleichzeitig warf sie Mentha “unsagbare Arroganz und Disziplinlosigkeit” vor.
Zu einem schon so gut wie ausverhandelten Kompromiss – die “Regimentstochter” wäre demnach als Gastspiel der Oper Nizza bereits einige Tage früher als ursprünglich geplant gezeigt worden – war es letztendlich nicht gekommen, da die Kammersängerin ihre Aussagen nicht zurücknehmen wollte. Diese hätten “das Ansehen und die künstlerische Freiheit” Menthas “in Frage gestellt”, meinte die beklagte Parte.
Vor Gericht erzählte Gruberova, wie sie zunächst überhaupt nicht an der Volksoper singen haben wollen, auf die sehr nette Anfrage von Menthas Vorgänger Klaus Bachler jedoch schließlich 1997 für ihr Wunschstück “Regimentstochter” zugesagt habe. “Es ging mir um dieses Stück für diese Stadt”, betonte sie. Die Marie in Donizettis Oper sei eine komische Rolle – eine Facette ihres Könnens, die man in Wien noch nicht kenne. Von Anfang an habe sie die Produktion aus Nizza vorgeschlagen und darauf bestanden, die Partie auf französisch zu singen. Zwar habe ihr der damals designierte neue Volksopern-Direktor Mentha bereits im Juli 1998 klar gemacht, dass er seine Direktionszeit nicht mit der “Regimentstochter” – geplanter Premierentermin war der 1.10.99 – eröffnen wolle. Erst Anfang Jänner 1999 habe sie jedoch erfahren, dass Mentha für den Zeitraum “ihres” Stückes Walter Braunfels’ “Die Vögel” angesetzt habe. Daraufhin habe sie den Brief an Holender verfasst – ein “Hilfeschrei”, wie Gruberova betonte.
“Ich fühle mich dieser Produktion beraubt. Ich empfinde das Ganze als menschenverachtend und zutiefst kränkend. Man ist mit mir verfahren wie mit einer Anfängerin”, meinte sie. Ihre Aussagen habe sie nicht zurücknehmen wollen, da ihr das Kompromiss-Angebot nicht glaubwürdig erschien.
Mentha erklärte, er habe aus dramaturgischen Gründen seine Ära nicht mit der “Regimentstochter” beginnen wollen. Dennoch habe er versucht, den Vertrag einzuhalten oder aber einen Kompromiss auszuverhandeln. “Ich habe von Anfang an mit offenen Karten gespielt.” Als Provokation habe er empfunden, dass Gruberova noch im Dezember 1998 auf der Bühne der Volksoper und vor laufenden TV-Kameras erklärt habe, sie werde die “Regimentstochter” singen – was seiner Meinung nach zu diesem Zeitpunkt nicht mehr feststand. Um die Vorwürfe in dem Brief sei es ihm gar nicht so sehr gegangen. “Ich kenne Künstler. Ich wollte nur, dass man sich zusammensetzt und die Sache klärt.”
Im Laufe der Auseinandersetzungen dürfte es überdies auch Missverständnisse gegeben haben. So gaben sowohl Gruberova als auch Mentha an, in der zweiten Jahreshälfte 1998 auf eine Antwort des jeweils anderen gewartet zu haben. (16.9.99)