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Schlacht um die Weltmeinung

Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern entwickelt sich zu einer Schlacht um die Weltmeinung. Auf beiden Seiten bleibt dabei die Wahrheit nicht selten auf der Strecke.

So haben Pleiten und Pannen bei der Information der Weltöffentlichkeit in den vergangenen Wochen in Israel für Aufsehen gesorgt. Doch Regierungssprecher Raanan Gissin machte im israelischen Rundfunk nicht etwa staatliche Stellen verantwortlich. Schuld habe die Auslandspresse, die „wie Holocaust-Leugner“ an der Wahrheit vorbei schreibe.

Eine klare Panne beim Werben um die öffentliche Meinung leistete sich jüngst die Palästinensische Autonomiebehörde. Sie gab offiziell die „Verhaftung“ von drei Männern bekannt, die Israel für den Kauf von 50 Tonnen Waffen und eines Schiffs für die Autonomiebehörde verantwortlich macht. Israel hatte das Waffenschiff aufgebracht. Doch die Nachricht von der Verhaftung löste in Israel nur höhnisches Gelächter aus, denn Geheimdienste des Landes wussten längst, dass sich zwei der Gesuchten im Ausland befanden und der Dritte auf freiem Fuß war. Kleinlaut hieß es am nächsten Tag in Ramallah, man habe lediglich Haftbefehle ausgestellt. Schon zuvor hatte die Arafat- Behörde Verhaftungen von Extremisten bekannt gegeben, die am nächsten Tag wieder in der Öffentlichkeit gesehen wurden.

Dabei schaut die Autonomiebehörde den internationalen Berichterstattern sehr genau auf die Finger. Praktisch alle großen Agenturen haben in den vergangenen 16 Monaten des bewaffneten Konflikts aus Ramallah Beschwerdebriefe mit dem Vorwurf der Einseitigkeit zu Gunsten Israels erhalten. Als militante Palästinenser nach den Terroranschlägen in New York und Washington am 11. September offen für Osama bin Laden demonstrierten, konfiszierte die Palästinenserpolizei die Filme und Video-Aufnahmen ausländischer Kameraleute. Während militante Gruppen israelischen und ausländischen Reportern offen mit dem Tode drohten, beklagten sich Politiker häufiger „in privaten Gesprächen“, „dass Sie (die Journalisten) unseren Standpunkt nicht richtig rüberbringen“.

Die palästinensische Führung hat indessen bei Interviews mit internationalen Nachrichtensendern Zahlen von Opfern genannt, die zum Teil doppelt so hoch waren, wie die offiziellen Angaben des Roten Halbmonds. Palästinensische Medien berichteten über israelische Giftgaseinsätze, Dum-Dum-Geschosse, vergiftete Schokolade für kleine Flüchtlingskinder. Palästinensische Journalisten wiederum, die nicht auf den Gehaltslisten der Arafat-Behörde stehen, werden – so klagen palästinensische Menschenrechtsorganisationen – regelmäßig daran erinnert, „worüber man besser nicht schreibt“.

Doch auch israelische Regierungsstellen reagieren nervös, wenn die Berichterstattung im Ausland nicht den eigenen Erwartungen entspricht. Als die Weltmedien über die Aufbringen des Waffenschiffs nicht in der erhofften, großen Aufmachung berichteten, und sich die israelischen Schlussfolgerungen nicht zu Eigen machten, zürnte Gissin im Rundfunk, „die Leiter der (Medien)-Büros und Agenturen“ betrachteten Arafat „immer noch nach der alten Manier, und nicht wie wir es tun; und sie versuchen – wie Holocaust-Leugner – zu bestreiten, was wirklich geschieht“. Später meinte Gissin, man habe seine Bemerkung „aus dem Zusammenhang gerissen“.

Ein PR-Desaster erlebte die Regierung in Jerusalem zuletzt nach der Zerstörung Dutzender Häuser im palästinensischen Flüchtlingslager von Rafah im Gazastreifen. Zunächst bestritten Armee und Politiker vehement, dass die Häuser bewohnt waren. Unter dem Druck, nicht zuletzt der eigenen Presse, gaben Offiziere und selbst Minister inzwischen zu, dass bei der Aktion möglicherweise doch hunderte Palästinenser obdachlos wurden. Der israelische Journalist Gideon Samet nannte die Regierung in diesem Zusammenhang offen „Lügner“.

Eher heitere Reaktionen löste dagegen eine Erklärung von Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer aus, der einen Tag nach der offensichtlichen Liquidierung des mutmaßlichen Extremisten Raed Karmi in Tulkarem am Dienstag jede Beteiligung Israels abstritt. Darauf meinte der Kommentator Amos Harel („Haaretz“): „Es ist schwer, von der Auslandspresse zu verlangen, dass sie (…) Israels Version von dem Waffenschiff und den Hauszerstörungen akzeptiert, wenn man ihr gleichzeitig den Unsinn verkaufen will, dass Karmi sein Haus verließ, 30 Meter die Straße entlang ging, um dann auf eine von ihm selbst gelegte Tellermine zu treten.

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