
Benötigt wird eine absolute Mehrheit oder 314 Stimmen. Da das Verfahren die Zustimmung des Parlaments zu jedem einzelnen Beitrittsantrag getrennt vorschreibt, könnte das Parlament wegen des Streits um die Benes-Dekrete theoretisch gegen die Aufnahme der Tschechischen Republik stimmen. Ein solches Vorgehen wird aber von der Mehrheit der Abgeordneten abgelehnt, hieß es am Montag vor der Plenartagung in Straßburg. Erwartet wird eine komfortable Mehrheit für die Erweiterung, wie dies bereits bei einer Abstimmung im zuständigen Außenpolitischen Ausschuss am 19. März war.
Von den 21 österreichischen Abgeordneten haben bisher nur die beiden Freiheitlichen Wolfgang Ilgenfritz und Hans Kronberger mit einem Nein gedroht, während Delegationsleiterin Daniela Raschhofer, sowie Gerhard Hager und Peter Sichrovsky grünes Licht geben wollen, hieß es in österreichischen EU-Parlamentskreisen. Aber auch einige andere Abgeordnete könnten ausscheren. So kündigte der französische Christdemokrat Jean-Louis Bourlanges wegen des noch ungelösten Budgetstreits des Parlaments mit dem EU-Ministerrat ein Nein an. Andere Abgeordneten könnten ihm folgen.
Der Budgetstreit hatte zeitweise befürchten lassen, dass die Straßburger Versammlung dem historischen Erweiterungsprojekt nicht ihren Sanktus geben könnte. Diese Gefahr scheint nun gebannt. Vergangene Woche hatte sich eine Mehrheit der Abgeordneten dagegen ausgesprochen, Budgetrechte und Erweiterung miteinander zu verknüpfen. Gelöst wurde das Problem aber noch nicht. Am heutigen Montagnachmittag wollen EU-Rat, Parlament und EU-Kommission nochmals einen Versuch unternehmen, eine Lösung zu finden, nachdem der so genannte „Trilog“ der drei EU-Institutionen vergangene Woche in Athen gescheitert war.
Im Kern geht es darum, dass sich das Parlament durch den Rat in seinen Budgetrechten verletzt sieht. Die Staats- und Regierungschefs hatten bei ihrem Kopenhagen-Gipfel im Dezember im Beitrittsvertrag mit den zehn Ländern Obergrenzen für die Agrarbeihilfen über die laufende mittelfristige Finanzperiode hinaus sowie zusätzliche Mittel für innenpolitische Bereiche wie Forschung und Soziales bis 2006 festgeschrieben, ohne die erforderliche Zustimmung des Parlaments einzuholen. Für das Parlament bedeutet dies einen eindeutigen Bruch der Vereinbarung über die Mitentscheidung der Versammlung.
Um eine Machtverschiebung in Richtung Mitgliedstaaten zu verhindern, droht das Parlament dem Rat mit einer Aufkündigung dieser so genannten interinstitutionellen Vereinbarung, falls kein Kompromiss gefunden wird. Damit würde sich das Haushaltsverfahren für den Rat wesentlich erschweren, heißt es im Parlament. Statt der gemeinsamen Vereinbarung über die mittelfristige Finanzplanung der EU müsste er sich jedes Jahr wieder mit dem Parlament über das Budget einigen. Daran können die Finanzminister kaum Interesse haben. Eine Lösung ist schon deshalb dringlich, weil die Staats- und Regierungschefs der fünfzehn EU- und zehn Beitrittsländer am 16. April den Beitrittsvertrag in Athen unterzeichnen wollen.