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Wo sind die verbotenen irakischen Waffen?

Die Wolfowitz-Äußerungen heizen die internationale Debatte um den Irak- Kriegsgrund an. Die „Willigen“ fühlen sich hinters Licht geführt.

Wo sind sie nun, die irakischen Massenvernichtungswaffen? Diese Frage wird nicht nur von Kritikern des Irak-Krieges beiderseits des Atlantiks immer lauter gestellt. Mehr als sieben Wochen nach Ende des Krieges wächst der Druck auf die USA und Großbritannien, Beweise für die Existenz dieser Waffen vorzulegen. Die Kriegsgegner sehen sich durch die jüngsten Äußerungen des US-Vizeverteidigungsministers Paul Wolfowitz bestätigt: Die Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen war für sie nur ein vorgeschobener Kriegsgrund.

Die französische Zeitung „Le Monde“ sprach sogar von „der größte Lüge von Staatsmännern in den letzten Jahren“. Sie bezog sich auf die Äußerung von Wolfowitz im US-Magazin „Vanity Fair“, wonach das Weiße Haus die Bedrohung mit den verbotenen Waffen lediglich aus regierungstaktischen Erwägungen in den Mittelpunkt gestellt habe.

Auch bei den Mitgliedern der „Koalition der Willigen“ stellen Abgeordnete kritische Fragen nach der Beteiligung ihrer Regierung am Irak-Krieg. In Großbritannien und Dänemark fordern Parlamentarier von ihrer Regierung eine offene Untersuchung. Und selbst im amerikanischen Kongress melden sich die Kritiker des Irak-Krieges verstärkt zu Wort.

Die ehemalige britische Entwicklungshilfeministerin Clare Short warf Premierminister Tony Blair am Sonntag vor, das Kabinett in der Frage des Kriegsgrundes systematisch hinters Licht geführt zu haben. Short, die aus Protest über die nach ihrer Ansicht nicht ausreichende Rolle der Vereinten Nationen im Nachkriegs-Irak zurücktrat, sagte im „Sunday Telegraph“: „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass der Premierminister sich im vergangenen August zum Krieg entschlossen und uns dann alle hinters Licht geführt hat.“ Die Entscheidung sei aus Gründen getroffen worden, „die nur er kennt“. Anschließend sei eine Atmosphäre der zwingenden Notwendigkeit geschaffen worden, und Geheimdienstmaterial sei in diesem Sinne interpretiert worden.

Blair hält dennoch unbeirrt daran fest, dass letztlich doch noch versteckte Biowaffen oder Giftgas im Irak gefunden werden. Er sagte am Wochenende, es gebe noch hunderte und womöglich tausende von Orten, die noch auf Massenvernichtungswaffen untersucht werden müssten. „Wir haben gerade erst mit dieser Aufgabe angefangen.“ Und US-Präsident George W. Bush wies auf CIA-Erkenntnisse hin und sagte:
„Wir haben Waffensysteme entdeckt, biologische Labore, deren Existenz von Irak bestritten wurde, und Labore, die nach den UN-Resolutionen untersagt waren.“

Angesichts des zunehmenden Rechtfertigungsdrucks weiten die USA ihre Suche nach Biowaffen oder Giftgas im Irak aus. Die Regierung wird dazu in den nächsten Tagen 1.400 Experten nach Bagdad schicken. Das Team wird von Generalmajor Keith Dayton vom Militärgeheimdienst DIA geleitet. Der Gruppe gehören Fachleute aus den USA, Großbritannien und Australien an. Sie sollen laut Dayton ihre Arbeit spätestens am kommenden Samstag aufnehmen. Er selbst zeigte sich überzeugt, dass die Experten chemische und biologische Waffen finden würden. Die Experten sind allerdings keine unabhängigen IAEO-Experten: sie kommen aus den USA, Großbritannien und Australien.

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