Ja der Tschechen zum EU-Beitritt erwartet
Alle bisherigen Umfragen deuten auf ein klares „Ja“ hin, wobei die Meinungsforscher auch eine hohe Beteiligung der Wähler signalisieren. Nach der jüngsten Befragung des Prager Instituts „TNS-Factum“ wollen fast 70 Prozent der stimmberechtigten Tschechen in die Abstimmungslokale kommen. Rund 80 Prozent davon wollen für die EU-Mitgliedschaft votieren. Auch in der tschechischen Gesamtbevölkerung über 18 Jahren überwiegen die EU-Befürworter. Etwa 50 Prozent sind dafür, 20 Prozent dagegen, und die restlichen 30 Prozent waren noch unentschieden, meldete „TNS-Factum“.
Erfreulich für das Kabinett scheint sogar die Konstellation der Sterne zu sein. „Die ausgewählten Tage 13. und 14. Juni versprechen ein günstiges Ergebnis des Referendums“, erklärte der Astrologe Antonin Baudys, der früher christdemokratischer Verteidigungsminister in Tschechien war. Im Allgemeinen seien diese Tage gut für Kommunikation, Reisen und das Erledigen organisatorischer Angelegenheiten. Allerdings könne man „administrative Komplikationen, Streits und eventuell auch gewaltige Zusammenstöße“ nicht ausschließen. Nach und nach sollte sich aber die Situation beruhigen, so Baudys, dessen Vorhersagen bei keinem wichtigen Ereignis fehlen.
Trotz der positiven Erwartungen überließ die sozialdemokratisch-christlich-liberale Koalition nichts dem Zufall und startete um 200 Millionen Kronen (6,34 Mio. Euro) eine ausgedehnte Überzeugungskampagne. „Die Tschechische Republik könne es sich nicht leisten, irgendein kleines Inselchen in der Mitte Europas zu bleiben“, werben die Politiker der seit Sommer 2002 amtierenden Regierung. Diese hatte den EU-Beitritt als die außenpolitische Priorität Nummer Eins festgelegt. Ein eventuelles „Nein“ müsste – wie einige von ihnen angedeutet haben – zum Rücktritt dieses Kabinetts führen.
Auch ausländische Politiker kommen zu Hilfe. „Stimmen Sie für den EU-Beitritt, oder auch dagegen. Aber kommen Sie zu den Urnen“, ließ der Präsident des Europaparlaments, Pat Cox, die Tschechen vom Rednertisch im Prager Abgeordnetenhaus in der vergangenen Woche wissen. Eine Botschaft vermittelte kürzlich auch der slowakische Regierungschef Mikulas Dzurinda, indem er mit Spidla bei einem Langstreckenlauf Hand in Hand ins Ziel lief. Als ob er sagen wollte, „vor zehn Jahren hatten wir uns getrennt, aber nun treffen wir uns in Europa wieder“. Und diese Woche wird EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen in Tschechien erwartet.
Sichtbar weniger begeistert vom EU-Beitritt ist die Opposition. Die konservative Demokratische Bürgerpartei (ODS), deren Ehrenvorsitzender Staatspräsident Vaclav Klaus ist, wirft seit längerem der Regierung Spidlas „Euro-Servilität“ vor. Sie weist darauf hin, dass Tschechien mit dem EU-Beitritt einen Teil seiner Souveränität verlieren werde. Strikt ablehnend stellt sich die ODS gegen eine politische Integration. Absolut unannehmbar ist für sie etwa ein Amt des EU-Präsidenten, genauso wie eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik.
Der Sicherheitsexperte der ODS, Petr Necas, warnte kürzlich, wenn man in eine Situation gedrängt werde, zwischen Amerika und Europa zu wählen, „dann wird unsere Antwort eindeutig sein: Wir wählen Amerika“. Sein Parteikollege und Vizechef des Abgeordnetenhauses, Ivan Langer, erklärte sogar öffentlich, dass er selbst gegen den Beitritt stimmen werde. Schließlich hat aber die ODS als Ganze den Bürgern offiziell empfohlen, den EU-Beitritt in der Volksabstimmung zu unterstützen. Ein bedeutender Teil ihrer Wähler sind Unternehmer, die nicht hinter dem EU-Zaun bleiben wollen.
Die einzige Parlamentspartei, die sich gegen den EU-Beitritt stellt, sind die Kommunisten (KSCM). Im Juni 2002 hatten sie mit dem Wahlergebnis von 18,5 Prozent der Stimmen überrascht, und vor dem Referendum empfahlen sie den Wählern ein „weiches Nein“. „Das bedeutet, dass wir gegen den Beitritt unter den ausgehandelten Bedingungen sind“, erläuterte KSCM-Vizechef Vojtech Filip. Er meint besonders die gekürzten Agrarsubventionen für die tschechische Landwirtschaft im Vergleich zu ihren Kollegen in der EU. Tatsache ist auch, dass sich der Großteil der tschechischen EU-Beitrittsgegner aus dem linken Teil des politischen Meinungsspektrums und aus älteren Leuten – unter denen die Kommunisten viele Wähler haben – rekrutiert.