Mehr als 150.000 Globalisierungsgegner
Genau einen Monat vor dem Gipfel der Welthandelsorganisation (WTO) in dem mexikanischen Badeort Cancun waren sie aus allen Teilen Frankreichs gekommen, um über die aus ihrer Sicht nachteiligen Folgen der Globalisierung zu sprechen – und Proteste vorzubereiten. „Andere Welten sind möglich“, lautete der Slogan auf den T-Shirts des „Larzac 2003“-Treffens. Die konservative Regierung in Paris wertete die Massenveranstaltung auf dem freiem Feld als „Rückkehr einer organisierten extremen Linken“.
Von dem riesigen Andrang überrascht waren selbst die Organisatoren dieses „Familientreffens“, das die „New York Times“ schlichtweg das „Woodstock der Anti-Globalisierung“ nannte. Star der fast dreitägigen Begegnung von militanten WTO-Kritikern, Kernkraftgegnern, Pazifisten, Bio-Bauern und vielen nach Orientierung suchenden Jugendlichen war einmal mehr der schnauzbärtige französische Bauernführer Jose Bove. Nach seiner Schätzung waren sogar über 200.000 nach Larzac geströmt.
Der 50-jährige Südfranzose, zuvor wegen gesetzwidriger Aktionen gegen den „Gen-Fraß“ inhaftiert, war gerade noch rechtzeitig für das Rendezvous der ihn stärkenden Protestbewegung freigekommen. Er wurde gefeiert wie eine Art Robin Hood der Neuzeit und genoss den Zuspruch.
„In Seattle vor vier Jahren glaubte niemand, dass wir einen Gipfel der Welthandelsorganisation zu Fall bringen können“, rief Bove seinen Anhängern zu. „Wenn wir mobilisieren, dann werden wir das in Cancun schaffen.“ Seit dem Jahr 1995 wolle die Organisation (mit einer immer stärkeren Liberalisierung des Welthandels) allen anderen ihre Gesetze aufzwingen. Bove sprach der WTO „antidemokratischen Charakter“ zu.
Einen „heißen September“ drohten Bove und seine Mitstreiter aber auch dem französischen Premierminister Jean-Pierre Raffarin an. Auf die Larzac-Ebene kamen auch die Lehrer und Kulturmitarbeiter, die in den vergangenen Monaten mit einer Streikwelle gegen den Rotstift der einen strikten Sparkurs steuernden Regierung anzukämpfen versuchten.
Der Erfolg des Treffens einer großteils „außerparlamentarischen“ französischen Opposition bekam Gewicht durch den symbolträchtigen Ort des Geschehens. Denn vor genau 30 Jahren war auf der Larzac-Hochebene südlich des Zentralmassivs eine Widerstandsbewegung gegen den Ausbau des dortigen Militärgebiets eingeleitet worden. „Larzac“ steht in den Augen der Protestbewegung der 68er Generation für den Beginn einer erfolgreichen Mobilisierung – der Staat verzichtete auf den Ausbau.
Das „Larzac 2003“ knüpfte nach Einschätzung der Organisatoren an frühere erfolgreiche Protestaktionen an. Selbst der auf Treffen der Globalisierungsgegner oft auftretende französisch-spanische Sänger Manu Chao konnte noch vor der eindrucksvollen Kulisse von 100.000 Zuhörern auftreten. Denn in „Larzac-Woodstock“ wurde auch gefeiert.