Ein Gericht gab am Samstag dem Haftantrag gegen den Geschäftsmann statt. Ein Jukos-Sprecher wies die Anschuldigungen als grundlos zurück. Beobachtern zufolge steht hinter dem Vorgehen gegen Jukos das Bemühen der Regierung, Chodorkowski von einer weiteren politischen Betätigung abzuhalten. Der Jukos-Chef unterstützt offen oppositionelle Gruppen.
Chodorkowski, der als reichster Mann Russlands gilt, war Samstag früh von einer Spezialeinheit am Flughafen von Nowosibirsk festgenommen worden. Dem Jukos-Chef würden unter anderem Betrug in großem Umfang sowie das Umgehen von Steuerzahlungen als Einzelperson und durch seine Organisation vorgeworfen, teilte das Büro der Staatsanwaltschaft mit.
Gemeinsam mit einem Mitarbeiter soll Chodorkowski dem Staat Schaden in Höhe von mehr als einer Milliarde US-Dollar zugefügt haben, wie Nachrichtenagenturen berichteten. Er könne bis Ende Dezember in Untersuchungshaft behalten werden, teilte Chodorkowskis Anwalt Anton Drel mit. Gegen Jukos wurde bereits seit einigen Monaten wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und Veruntreuung von Staatseigentum ermittelt.
Die Staatsanwaltschaft erklärte, Chodorkowski sei für Freitag zu einem Verhör geladen worden, aber nicht erschienen. Daher sollte seine Vorladung mit staatlicher Gewalt erzwungen werden. Schadrin sagte hingegen, man habe die Behörden davon in Kenntnis gesetzt, dass Chodorkowski auf Geschäftsreise sei und deshalb den Termin nicht wahrnehmen könne.
Chodorkowski befand sich laut Interfax am Samstag auf dem Weg von Nischni Nowgorod an der Wolga nach Irkutsk in Sibirien. Die Zwischenlandung in Nowosibirsk war lediglich zum Auftanken des Flugzeugs eingeplant. Jukos hatte sich im April mit seinem heimischen Konkurrenten Sibneft zum viertgrößten Erdöl- und Gasproduzenten der Welt zusammengeschlossen.
Während der Amtszeit von Präsident Wladimir Putin wurden bereits ähnliche Anschuldigungen gegen andere Geschäftsleute erhoben, die inzwischen freiwillig im Exil leben: Der Medienunternehmer Wladimir Gusinski, dessen Fernsehsender NTW für seine kritische Haltung bekannt war, wurde des Betrugs und der Geldwäsche beschuldigt. Ein griechisches Gericht lehnte im Oktober seine Auslieferung an Russland ab. Dem Unternehmer Boris Beresowski wurde Betrug in Millionenhöhe vorgeworfen, er lebt mittlerweile in Großbritannien.
Jukos kritisierte das Vorgehen der Justiz am Sonntag scharf In einer in Moskau veröffentlichten Erklärung wurden die gegen Chodorkowski eingeleiteten Strafverfahren als „absurd“ bezeichnet.“ Jukos zweifelt nicht an den offensichtlichen politischen Motiven hinter den Ermittlungen“, hieß es. Die Ermittlungen im Umfeld von Jukos waren aufgenommen worden, nachdem Chodorkowski im Sommer ein politisches Engagement zur Unterstützung der Opposition angekündigt hatte.
Der 40-jährige Milliardär, dem unter anderem schwerer Betrug und Steuerhinterziehung angelastet werden, verbrachte die Nacht in einer Zelle mit anderen Untersuchungshäftlingen im Gefängnis „Matrosskaja tischina“ (Matrosen-Ruhe, nach einem im 18. Jahrhundert dort gebauten Krankenhaus für Matrosen benannt). Bei einer Verurteilung drohen ihm zehn Jahre Haft.
Russische Politiker zeigten besorgt über die Festnahme und das Strafverfahren. Der kommunistische Duma-Vorsitzende Gennadi Selesnjow äußerte die Hoffnung, dass „hinter all diesen Ereignissen nicht ein politischer Auftrag steht“. Für die Union Rechter Kräfte war der politische Charakter der Aktion gegen Yukos und Chodorkowski „offensichtlich“.
Alexander Melnikow von der Jabloko-Partei sowie andere Abgeordnete befürchteten negative Auswirkungen am heimischen Aktienmarkt für Yukos sowie „schweren Schaden für die Wirtschaft Russlands insgesamt“. Ausländische Investoren würden nunmehr an der Stabilität in Russland zweifeln. Ein namentlich nicht genannter Vertreter der russischen Regierung begrüßte die Aktion der Justizbehörden. Nunmehr könne „die russische Geschäftswelt erfahren, welche Straftaten dieser „bisnismen“ begangen hat“, wurde der Regierungsvertreter von der Agentur Interfax zitiert.