Kroatien-Wahlen zwischen Racan und Sanader
Beim ersten „Multimedia-Duell“ zweier Spitzenkandidaten in Kroatien bekräftigten der bisherige Ministerpräsident Ivica Racan (Sozialdemokraten/SDP) und Oppositionsführer Ivo Sanader (Kroatische Demokratische Gemeinschaft/HDZ) am Mittwoch knapp vor den Parlamentswahlen am Sonntag, dass es in der Frage der Annäherung an die Europäische Union einen „nationalen Konsens“ gibt.
„Zum Wohle unseres Volkes werden wir in Fragen des EU-Beitritts zusammenarbeiten“, erklärte Racan in einem vom Fernsehsender OTV (Otvorena Televizija), dem Rundfunksender „Obiteljski Radio“ und der Zeitung „Vecernji List“ organisierten Streitgespräch. Dennoch werde es nach den Wahlen keine Koalition zwischen SDP und HDZ geben, wie dies Präsident Stipe Mesic für den Fall einer völligen Pattsituation angedacht hatte. Dazu gebe es inhaltlich zu große Differenzen.
Die Reform der HDZ sei bloß eine äußerliche, bekrittelte Racan. „Hinter der Maske lebt die alte, arrogante HDZ weiter, die ihre politischen Gegner diskreditiert.“ Kroatien dürfe nicht neuerlich „tudjmanisiert“ werden. „Den neuen Tudjman kann Sanader nur in seiner Partei spielen.“ Der Konter blieb nicht aus. „Racan sitzt jener Partei vor, die Kroatien 45 Jahre lang unter der kommunistischen Knute gehalten hat“, sagte der HDZ-Chef, „da wurden Menschen getötet und eingesperrt. Wir müssen uns auch daran erinnern, dass die Kommunisten das Parlament verlassen haben, als es darum ging, die konstitutionellen Bande zum früheren Jugoslawien zu lösen. Deshalb bin ich stolz auf Tudjmans Beitrag zur Verteidigung und Errichtung der kroatischen Unabhängigkeit.“
Racan erwiderte, der verstorbene Staatspräsident Franjo Tudjman sei eine historische Figur unter den Umständen des Krieges und beim Aufbau des kroatischen Staates gewesen. „Seine Arroganz und der Personenkult, der um ihn getrieben wurde, erscheint im heutigen Kroatien aber befremdend.“ Sachpolitisch haben man in Wirtschaftsfrage zwar ähnliche Ziele wie die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben, doch unterschiedliche Ansichten in Steuerfragen. „Wenn wir das HDZ-System mit zwei Steuersätzen wieder einführen, werden wieder die Armen mehr und die Reichen weniger zahlen. Das wäre ein Rückschlag“, polterte Racan.
Sanader ätzte seinerseits, die Racan-Regierung habe überhaupt kein Steuersystem entwickelt: „Die SDP wirft uns permanent vor, dass wir uns nur um die Reichen kümmern. Dabei war es die SDP, die Hunderttausende zum Stempeln aufs Arbeitsamt geschickt oder den Mutterschutz reduziert hat.“ Die Steuern, welche die HDZ einführen wolle, seien nicht mit jenen der alten HDZ-Regierung vergleichbar. „Sie werden die Wirtschaft stimulieren und den Lebensstandard erhöhen.“
Sanader warf Racan vor, viele versprochene Reformen nicht umgesetzt zu haben.“ Dieser räumte ein, dass vielleicht zu viele Projekte in Angriff genommen worden seien. „Wir mussten aber auch die Versäumnisse der früheren Regierung wettmachen. Wir haben eine große Anzahl von Beschäftigten mit fiktiven Jobs vorgefunden. Dennoch ist es uns gelungen, die Arbeitslosenzahl zu senken.“ Ein Argument, dass Sanader nicht gelten ließ. Die SDP-Koalition habe mit administrativen Tricks die bestehenden Missstände kaschiert und einfach Arbeitslose von den Listen der Jobsuchenden gestrichen.
Allen Sachargumenten zum Trotz waren beide Politiker bemüht, die Regeln der politischen Diskussion zu achten. „Ich betrachte Racan nicht als Feind“, erklärte etwa der HDZ-Chef, „er ist mein politischer Rivale. Gott bewahre, dass sich Kroaten wieder einmal gegenseitig bekämpfen.“ Auch die harschen Worte, die im Wahlkampf zwischen HDZ und SDP fielen, dürfe man nicht überbewerten. „Ich glaube, das ist einzig und allein ein Bestand der Wahlkampf-Rhetorik.
Die SDP hatte die HDZ im Jänner 2000 gemeinsam mit fünf Koalitionspartnern von der Macht verdrängt. In aktuellen Umfragen liegt aber die ehemalige Tudjman-Partei wieder voran. Es zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem linken und dem rechten Parteienspektrum ab. Derzeit dürften die HDZ und ihre Partner die besseren Karten haben.