Ursprünglich wurde gegen die junge Mutter wegen Mordes ermittelt. Unter dem Verdacht, ihre kleine Tochter umgebracht zu haben, wanderte sie in U-Haft. Nach drei Monaten wurde sie gegen eine Kaution von 7.300 Euro auf freien Fuß gesetzt. Die Staatsanwaltschaft Wien erhob schließlich Anklage wegen Vernachlässigung einer unmündigen Person: Man fand keine Indizien, die für ein vorsätzliches Töten gesprochen hätten. Heute, Donnerstag, wurde die mittlerweile 23-jährige Frau im Wiener Landesgericht überhaupt freigesprochen.
Rätselraten, warum das kleine Mädchen sterben musste
Wir haben ein totes Kind und wissen nicht, wie es gestorben ist, fasste Richter Norbert Gerstberger am Ende die Ergebnisse des Beweisverfahrens zusammen. Man könne der Beschuldigten weder nachweisen, der Tochter die tödlichen Kopfverletzungen zugefügt noch ihre Pflege vernachlässigt zu haben. Auch andere Personen kämen als mögliche Verursacher in Frage. Staatsanwalt Michael Leitner gab vorerst keine Erklärung ab, der Freispruch ist daher nicht rechtskräftig.
Schädelbrüche und Schädelhirntrauma
Die damals 20-Jährige hatte im Juli 2000 Armelle zur Welt gebracht. Sie war angeblich ein Wunschkind, das am 11. Mai 2001 starb. Wie und unter welchen Umständen, wird wohl immer ein Rätsel bleiben. Die Kleine wurde jedenfalls mit massiven Kopfverletzungen ins Spital gebracht, nachdem die Mutter den Notarzt alarmiert hatte. Dort stellte man mehrere Schädelbrüche im Hinterkopfbereich und ein ausgedehntes Schädelhirntrauma fest. Noch am selben Tag trat der Hirntod ein.
Gegen den Vater wurde nicht ermittelt
Während die Mutter verdächtigt wurde, kam der Vater für die Anklagebehörde von Anfang an nicht als Täter in Frage kam: Der berufstätige Mann war kaum zu Hause. Auch gegen die Gäste einer Party, auf der Armelle wenige Tage vor ihrem Tod angeblich 20 Minuten unbeaufsichtigt geblieben war, wurde nicht ermittelt.
Bei der Obduktion fanden sich keine Blutungen, Rissquetschwunden oder auffallende äußere Verletzungen, die auf Misshandlungen hingedeutet hätten. Zahlreiche Zeugen bestätigten vielmehr, die Mutter habe das Mädchen nie geschlagen. Eine Kinderärztin sagte aus, die junge Frau habe sich sogar auffallend um Armelle gekümmert und sei wöchentlich in die Ordination gekommen.
Sie hat das Kind aber gröblich vernachlässigt, indem sie es unterlassen hat, rechtzeitig für ärztliche Hilfe zu sorgen, obwohl es immer schwächer und teilnahmsloser wurde und keine Nahrung zu sich nehmen wollte, lautete der Standpunkt der Staatsanwaltschaft.
Die Frau – sie ist vor vier Monaten wieder Mutter geworden – erklärte, Armelle wäre Anfang Mai auf eine Türschwelle gestürzt. Sie hätte nur eine Beule an der Stirn bemerkt. Das Kind wäre dann sehr schlaff gewesen, hätte wenig gespielt und nicht mehr gelacht. Sie hätte das auf Essstörungen zurück geführt.
Die Gerichtsmedizinerin Elisabeth Friedrich stellte in ihrem Gutachten fest, die Darstellung der Beschuldigten könne – was die Entstehung der Verletzungen betrifft – nicht stimmen: Ein einfaches Niederstürzen, wie sie es hier erklärt hat, kann es nicht gewesen sein. Es muss ein forcierter Sturz, eine massive Gewalt gegen den Hinterkopf gewesen sein. Unklar bleibt, wann und wie das Schädelhirntrauma entstanden ist.
Redaktion: Elisabeth Skoda