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Köhler wird neuer deutscher Bundespräsident

Der Finanzfachmann Horst Köhler wird neuer deutscher Bundespräsident. Die Bundesversammlung wählte den Kandidaten von Union und FDP am Sonntag in Berlin im ersten Wahlgang.

Der Kandidat von CDU/CSU und FDP wurde im ersten Wahlgang mit hauchdünner Mehrheit zum Nachfolger von Johannes Rau gewählt. Der frühere IWF-Chef setzte sich mit 604 zu 589 Stimmen gegen die Koalitionskandidatin Gesine Schwan durch. Damit lag er nur eine Stimme über der absoluten Mehrheit.

Köhler sagte nach seiner Wahl, er wolle „Bundespräsident aller Deutschen sein und ein Präsident für alle Menschen die hier leben”. Er halte eine „grundlegende Erneuerung unseres Landes für notwendig und überfällig”. Köhler zeigte sich besorgt über den Zustand der deutschen Wirtschaft, des Arbeitsmarkts und der sozialen Sicherung. „Ich sehe auch neue inakzeptable Spaltungstendenzen in unserer Gesellschaft.”

Deutschland habe die Kraft sich zu verändern, betonte Köhler. Um diese Kraft zu entfalten müsse aber Angst überwunden und Selbstvertrauen zurückgewonnen werden. „Deutschland soll ein Land der Ideen werden”, sagte der künftige Präsident und sprach von „neuen Gründerjahren”. Er betonte auch, dass Deutschland kinder- und familienfreundlicher werden müsse. Gleichzeitig dürfe man aber auch die älteren Menschen nicht vergessen. „Wir müssen an der Freundschaft zwischen den Generationen schon jetzt arbeiten.”

Deutschland könne aus der Globalisierung weiterhin großen Nutzen ziehen. „Wir müssen aber auch besonders dafür arbeiten, dass die Globalisierung den Armen dieser Welt zu Gute kommt.” Deutschland müsse sich auch seinen kulturellen und religiösen Wurzeln bewusst werden. „Patriotismus und Weltoffenheit sind keine Gegensätze, sie bedingen einander”, sagte Köhler. „Nur wer sich selbst achtet, achtet auch andere.”

Das Wahlergebnis bedeutet, dass sich mindestens 18 Delegierte aus den beiden Fraktionen von CDU/CSU und FDP gegen Köhler entschieden haben. Schwan erhielt nicht nur die Unterstützung von SPD und Grünen, von denen 548 Delegierte anwesend waren. Mindestens 41 Mitglieder anderer Fraktionen oder fraktionslose Delegierte müssen für sie votiert haben. Die PDS-Fraktion, der 31 Wahlleute angehörten, hatte bereits vor der Wahl angekündigt, dass sie mehrheitlich für Schwan stimmen wollte. Bei der geheimen Wahl gab es neun Enthaltungen, zwei Stimmen waren ungültig. Ein SPD-Abgeordneter nahm nach einem Herzinfarkt nicht an der Sitzung teil.

Köhler übernimmt das Amt des Bundespräsidenten am 1. Juli von Rau. Der scheidende Bundespräsident beglückwünschte seinen Nachfolger zu dessen Wahl. „Unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Wahlergebnisses möchte ich Ihnen herzlich gratulieren”, schrieb Rau am Sonntag in Berlin in einem Glückwunschschreiben an Köhler. „Ich will Ihnen meine guten Wünsche für Ihre Amtszeit gern am 1. Juli öffentlich sagen, schon jetzt aber erhoffe ich Ihnen Erfolg, Glück und Gottes Segen.” Rau schloss mit „freundlichen Grüßen auch an Frau Köhler und auch im Namen meiner Frau”.

Zum siebenten Mal wurde die Bundespräsidentenwahl im ersten Wahlgang entschieden. Zuvor hatten sich Theodor Heuss (1954), Heinrich Lübke (1964), Walter Scheel (1974), Karl Carstens (1979) und Richard von Weizsäcker (1984 und 1989) auf Anhieb durchgesetzt. Zwei Wahlgänge benötigten Theodor Heuss (1949), Heinrich Lübke (1959) und Johannes Rau (1999). Im dritten Wahlgang wurde bisher nur zwei Mal über die Besetzung des höchsten Staatsamts entschieden: Bei der Wahl von Gustav Heinemann 1969 und der Wahl von Roman Herzog 1994.

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