Im Hintergrund die 9380 weißen Kreuze für die 1944 in der Normandie gefallenen US-Soldaten. Ernst und blass US-Präsident George W. Bush, der in der Nacht zuvor die Nachricht vom Tod Ronald Reagans erhalten hatte. Neben ihm ein entspannterer Jacques Chirac, der die zwischen Washington und Paris so lange wegen des Irak-Krieges vergiftete Stimmung gern ganz zu den Akten legen würde. Die französisch-amerikanische Zeremonie eröffnete am Sonntag die Gedenkfeiern und sollte Bilder einer wieder gefundenen Harmonie über den Gräbern in die Welt schicken. Aber das war keine leichte Sache.
An Reagan, den 40. Präsidenten der USA, muss George W. Bush gedacht haben, als er auf dem roten Teppich zum Podest schritt und die große Ehre betonte, das amerikanische Volk bei den D-Day-Feiern zu vertreten. Immerhin hatte der mutige Führer in der Sache der Freiheit (Bush) hier vor zwei Jahrzehnten auf Einladung des damaligen Präsidenten Franñois Mitterrand gestanden und dabei nicht nur mit seiner Statur Eindruck gemacht. Schon Bill Clinton war es bei der Feiern zum 50. Jahrestag der militärischen Großtat 1994 trotz aller Redekunst nicht gelungen, die Erinnerung an Reagan verblassen zu lassen. Auch für Bush warf der tote Vorgänger einen längeren Schatten in das Sonnenlicht.
Trotz des bemühten Strebens um Harmonie zwischen Washington und Paris, vorbereitet durch gegenseitige Freundschaftsbekundungen, hat Bush in seiner kurzen Rede kaum Akzente gesetzt: Die Geschichte erinnert uns daran, dass Frankreich Amerikas erster Freund in der Welt war, begann der Präsident. Um schließlich noch zu versprechen, dass Amerika es für unsere Freunde wieder tun würde, nämlich sie von einer Diktatur zu befreien. Konnte sich Chirac mehr erhoffen? Am Vorabend hatten sie sich im Elysee-Palast erstmals nach neun Monaten wieder getroffen. Die leidige und strittige Frage der Zukunft des Irak stand oben auf der Tagesordnung – und erinnerte beide daran, wie sehr vor allem dieses Thema die transatlantischen Beziehungen (noch) belastet.
Am Sonntag, als es die Gefallenen und die Veteranen zu ehren galt, hatte Chirac in Colleville-sur-Mer als erster das Wort ergriffen und sich alle Mühe gegeben: Frankreich wird den 6. Juni 1944 nicht vergessen, mit dem die Hoffnung wieder aufgekommen ist. Er nannte Amerika unseren Freund auf ewig und überbrachte der ganzen amerikanischen Nation diese Botschaft Frankreichs: Freundschaft und Brüderlichkeit, Anerkennung und Dankbarkeit. Chirac sagte Bush aber auch, dass die Werte, für die Blut vergossen wurde, auch den Kern der UN-Charta ausmachen – ein Plädoyer für ein multilaterales Handeln.
Der US-Präsident verzichtete darauf, einmal mehr einen Bogen von der Befreiung Europas von der Nazi-Herrschaft zu dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu ziehen. Er konnte auch keinem Gegner demonstrativ Versöhnung anbieten – so wie es Reagan vor 20 Jahren von den Stränden der Normandie aus der Sowjetunion gegenüber getan hatte.