SPD-Chef Franz Müntefering verwies am Dienstag besonders auf Regeln für die Anrechnung des Ersparten von Kindern auf das Arbeitslosengeld II. Ausbildungsversicherungen sollte man nicht anrechnen, sagte er der ARD. Im Auftrag der SPD-Fraktion soll nun Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) diese und weitere Bestimmungen zu Hartz IV (Arbeitsmarkt- und Sozialreformen) überprüfen. Parteiübergreifende Kritik gab es am Verhalten von Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU). Milbradt hatte eine Teilnahme an Protesten gegen das Gesetz erwogen, an dessen Zustandekommen er allerdings selbst beteiligt gewesen war.
Müntefering sagte der ARD, zwar müsse der Staat dafür sorgen, dass Arbeitslose Gelder nicht auf Konten von Kindern in Sicherheit brächten, doch dürfe auch nicht die Zukunft von Kindern gefährdet werden. Der SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner forderte in der Zeitung Die Welt darüber hinaus weitere Änderungen bei der Anrechnung von Vermögen und Immobilien. SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler sagte dazu am Montagabend im ZDF, es gehe nicht um Nachbesserungen, sondern um die Konkretisierung. Auch er sprach aber von einem Gestaltungsspielraum bei der Einkommensanrechnung.
SPD-Parlamentsgeschäftsführer Wilhelm Schmidt sagte mit Blick auf Milbradt, dessen Verhalten sei unanständig. Gerade Milbradt sei es gewesen, der sich im Vermittlungsausschuss zusammen mit anderen Unionspolitikern für Verschärfungen der Regeln für die Anrechnung des Vermögens Arbeitsloser eingesetzt habe. Daher seien die Überlegungen von Milbradt, an Montagsdemonstrationen gegen das Hartz-IV-Gesetz teilzunehmen, eine Perversion.
Milbradt bekräftigte in den ARD-Tagesthemen seine Kritik an dem Gesetz. Eine Teilnahme an Montagsdemonstrationen lehnte er zwar vorerst ab, schloss aber eine Beteiligung zu einem späteren Zeitpunkt nicht aus, wenn dazu der geeignete Rahmen geschaffen wird. Verständnis für die Haltung Milbradts äußerte im Sender RBB Brandenburgs CDU-Chef Jörg Schönbohm. CDU-Vizechef Jürgen Rüttgers forderte erneut eine Generalrevision des Arbeitslosengeldes II.
An den Demonstrationen gegen Hartz IV hatten sich am Montag mehr als 25.000 Menschen beteiligt, die große Mehrheit von ihnen in ostdeutschen Städten.
In die Diskussion schaltete sich am Dienstag auch die deutsche Gewerkschaft IG Metall ein. Sie forderte Nachbesserungen. Gewerkschaftschef Jürgen Peters erklärte, die Bundesregierung müsse vor allem bei den Zumutbarkeitsregelungen für Arbeitslose nachbessern. Wer Menschen in Billigjobs dränge, dem geht es nicht ums Fördern, sondern nur ums Fordern, sagte Peters. Arbeitsplätze würden so nicht geschaffen.
Peters kritisierte es als Zumutung, das für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II Verträge zur Altersversorgung aufgelöst werden müssen. Auch sei es völlig verfehlt, Ausbildungsversicherungen von Kindern und Jugendlichen beim Bezug der neuen Leitung anzurechnen. Mit einer sturen Augen-zu-und-durch-Politik werde sich die Regierung weiter isolieren und die Wut der Menschen noch stärker zu spüren bekommen, warnte der Gewerkschaftschef.
Eine große Montagsdemonstration in Berlin gegen Sozialabbau und die deutsche Hartz-IV-Reform (Arbeitsmarkt) soll in der kommenden Woche (16.8.) starten. Veranstalter sind unter anderem Gewerkschaften, die Globalisierungs-Kritiker von Attac und das Berliner Bündnis gegen Sozialkürzungen. Auch führende Vertreter der Berliner PDS wollen an der Demonstration teilnehmen, auch wenn die Partei sich nicht an der Vorbereitung beteiligt. Die Organisatoren erklärten am Dienstag, sie erwarteten nach der regen Beteiligung in anderen Städten auch in Berlin mehrere tausend Teilnehmer.
An dem Begriff Montagsdemonstration wollen die Veranstalter festhalten. Es gehe, wie 1989 in der DDR, um eine breite Bewegung von unten, durch die die Menschen ihren Unmut und ihre Wut loswerden wollen, sagte ein Sprecher.