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Grenzen Europas werden im Kopf gezogen

Wissenschaftlich objektive Kriterien gibt es dafür, zumindest im Osten und Südosten, nicht, so der Tenor einer von den Europäischen Grünen in Istanbul organisierten Diskussion zu dem Thema.

Ob die Türkei dazu gehört, blieb damit eine Frage der persönlichen Einschätzung.

„Was die Europäer gemeinsam als Europa empfinden“, mache diesen Kontinent aus, meinte etwa Heinz Kramer von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Für die Türkei habe aber die Politik, genauer der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs, schon 1999 geklärt, dass die Türkei „europäisch“ sei: Denn laut EU-Verträgen könne nur ein „europäischer“ Staat der EU beitreten. Mit der Einstufung als Kandidatenland ergebe sich als „logische Deduktion politischer Entscheidungen“, dass die Türkei ein europäisches Land sein müsse.

Diese Entscheidung sei allerdings ohne Diskussionen, ohne Vorbereitung durch die EU-Kommission und damit ohne die nötige rechtliche Grundlage gefallen, hält dem der Grüne EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber entgegen. Die EU sei unterwegs zu einer „Staatlichkeit“ und müsse daher auch ein „Territorium“ definieren. Wer die Türkei aufnehme, müsse auch zu Marokko Ja sagen. „Mein Traum ist eine Republik Europa“, bekennt Voggenhuber. „Alle, die nur eine internationale Organisation wollen, sind Verbündete für einen EU-Beitritt der Türkei.“ Das gelte auch für die USA, die „einige Hoffnung hat, damit die EU endgültig zu überdehnen“.

„Die Grenzen werden im Kopf gezogen“, sagte auch der türkische Soziologe Ahmed Insel. Seiner Ansicht nach ist aber das territoriale Verständnis Europas ein historisches. Es gehe darum, eine kulturelle, soziologische Einheit zu bilden. Denn über die Territorien der Mitgliedsländer reiche schon jetzt Europa von den Niederländischen Antillen bis nach Reunion. Obwohl sich Insel für den Beitritt ausspricht, lässt er schon seinen Frust an der zähen Annäherung spüren: „Es ist ja nicht die Aufnahme in das Paradies, der EU beizutreten. Es ist ja nicht nur ein Geschenk Europas an die Türken. Europa beschenkt sich auch selber.“

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