Wir appellieren an die Parlamente und Nationen der Welt, den Willen des ukrainischen Volkes und sein Streben nach einer Rückkehr zur Demokratie zu unterstützen, hieß es in einer Erklärung, die Juschtschenkos Büro am Dienstag herausgab. Mit neuen Massenprotesten gegen das offizielle Wahlergebnis erhöhte die Opposition den Druck auf die Führung in Kiew. Weit mehr als 100.000 Anhänger des westlich orientierten Oppositionsführers demonstrierten auf dem Platz der Unabhängigkeit in der ukrainischen Hauptstadt und zogen zum Parlament, das über den Wahlausgang beraten wollte. Juschtschenko forderte die Abgeordneten auf, das Ergebnis der zweiten Runde der Präsidentenwahl für ungültig zu erklären. Auch in Lemberg (Lwiw) gingen rund 100.000 Menschen für Juschtschenko auf die Straße. Unterdessen erklärten weitere Stadträte, den von der Wahlkommission verkündeten Sieg des pro-russischen Kandidaten Viktor Janukowitsch nicht anzuerkennen.
Das Parlament ist das einzige Mittel, um die politische Situation im Land zu regeln, sagte Juschtschenko vor Zehntausenden Anhängern am Eingang zum Parlamentsgebäude in Kiew. Bei der Sondersitzung der Abgeordneten sollte nach Angaben des sozialistischen Parteichefs Alexander Moros – er hatte als ausgeschiedener Kandidat des ersten Wahlgangs in der Stichwahl Juschtschenko unterstützt – ein Ausschuss zur Untersuchung der Wahlergebnisse eingesetzt werden. Nach amtlichen Angaben gewann der vom Kreml unterstützte amtierende Ministerpräsident Viktor Janukowitsch die Stichwahl mit mehr als drei Prozentpunkten vor Juschtschenko. Die Wahlkommission muss das Endergebnis spätestens am 6. Dezember verkünden.
Zuvor hatte Juschtschenko das Ausland aufgefordert, ihn als Sieger der zweiten Runde der Präsidentenwahl vom Sonntag anzuerkennen. Der 50-jährige Oppositionsführer appellierte laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax an die Parlamente und Staaten der Welt, ihn als neuen ukrainischen Präsidenten zu sehen. Der Appell, der eine grobe Fälschung der Wahlergebnisse anprangerte, wurde von mehreren Oppositionspolitikern unterstützt.
Unterdessen weigerten sich laut Interfax auch die Städte Luzk und Chmelnizki im Westen des Landes, den von der Wahlkommission proklamierten Sieg Janukowitschs anzuerkennen. Zuvor hatten dies bereits die Stadträte von Kiew, Lemberg, Iwano-Frankiwks und Winnyzia getan.
Die Anhänger Juschtschenkos ließen sich auch von Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und eisigem Wind nicht von ihrer Kundgebung abhalten. Tausende von ihnen verbrachten die Nacht in einem Zeltlager auf dem Platz der Unabhängigkeit in Kiew. Wie schon am Vortag glich der Platz einem Meer aus Orange, der Farbe der Opposition. In Sprechchören riefen die Menschen Juschtschenko! und schwenkten orangefarbene Fähnchen. Rockgruppen spielten auf. Der Oppositionsführer betonte, die Proteste seien erst der Anfang einer längeren Kampagne. Die Demonstrationen werden heute zum politischen Erfolg führen, versicherte Juschtschenko der jubelnden Menge: Ihr seid die Helden der Ukraine. Auch ukrainische Studenten in Wien haben mit Protestaktionen zur Unterstützung Juschtschenkos begonnen.
Der Westen hatte die Stichwahl um das Präsidentenamt als undemokratisch kritisiert. Der niederländische EU-Ratspräsident Jan Peter Balkenende rief nach Angaben eines Sprechers den ukrainischen Parlamentspräsidenten an, um ihm die Zweifel der EU am Ergebnis mitzuteilen. Die Beobachtergruppe des Europaparlaments kritisierte den Verlauf der Wahl scharf. Manche Wähler hätten ihre Stimme bis zu 40 Mal abgegeben, sagte der niederländische Sozialist Thijs Berman. Dagegen hatte der russische Präsident Wladimir Putin, der Janukowitschs Kandidatur demonstrativ unterstützt hatte, seinem Schützling zu dessen überzeugendem Wahlsieg gratuliert.
Keine Mehrheit für Annullierung der Wahl im Parlament
Das ukrainische Parlament wird sich nicht mit dem Antrag der Opposition auf Annullierung des Ergebnisses der Präsidentenwahl beschäftigten. Auf einer einberufenen Dringlichkeitssitzung fand sich dafür am Dienstag keine Mehrheit, da das Parlament nicht beschlussfähig war. Nur 191 Abgeordnete kamen zu der Sitzung. Im 450 Sitze zählenden Parlament wären aber die Stimmen von mindestens 226 Abgeordneten notwendig gewesen. Daraufhin erklärte die Opposition ihren Chef Viktor Juschtschenko im Parlament zum neuen Präsidenten. Das teilte die Abgeordnete Julia Timoschenko mit. Bei der Sondersitzung der Parlamentarier waren jedoch nicht genügend Abgeordnete erschienen, um eine Erklärung zu verabschieden.
Nach Angaben des sozialistischen Parteichefs Alexander Moros sollte bei der Sondersitzung ein Ausschuss zur Untersuchung der Wahlergebnisse eingesetzt werden. Juschtschenko hatte die Abgeordneten aufgefordert, das Ergebnis der zweiten Runde der Präsidentenwahl für ungültig zu erklären. Die Wahlkommission hatte den vom Kreml unterstützten amtierenden Ministerpräsidenten Viktor Janukowitsch zum Sieger erklärt.
Oppositionschef Juschtschenko spricht im Parlament den Amtseid
Der ukrainische Oppositionsführer Viktor Juschtschenko hat nach einer turbulenten Parlamentssitzung am Dienstag auf Drängen seiner Partei den Amtseid des Präsidenten gesprochen. Das meldete die Agentur Interfax am Dienstag aus dem Parlamentsgebäude in Kiew.