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Italien: Freispruch für Berlusconi

Nach einem dreijährigen Verfahren wegen mutmaßlicher Korruption kann der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi erleichtert aufatmen. Er wurde vom Vorwurf der Korruption freigesprochen.

In einem der fünf Vorwürfe wegen Richterbestechung entschied das Mailänder Gericht, der Fall sei bereits verjährt. In einem weiteren Anklagepunkt wegen Schmiergeldzahlungen an Richter bei der Privatisierung des Lebensmittelriesen SME urteilte das Schwurgericht am Freitagabend in erster Instanz nicht schuldig.

Die Staatsanwaltschaft hatte acht Jahre Haft gefordert, die Verteidigung auf Freispruch plädiert. Berlusconi selbst war nicht vor Gericht erschienen. „Die Verjährung rettet Berlusconi vor dem Korruptionsurteil“, kommentierten Politiker der Opposition. Gegen die Verjährung wollen die Rechtsanwälte des Ministerpräsidenten Einspruch einreichen.

Im Verfahren gegen den Medienmagnaten und Regierungschef ging es um den in den 80er Jahren noch staatlichen Lebensmittelkonzern SME, den der Industrielle Carlo De Benedetti 1985 von der Staatsholding IRI kaufen wollte. Während der damalige IRI-Präsident Romano Prodi schon mit De Benedetti handelseinig gewesen sein soll, hatte der damalige sozialistische Ministerpräsident Bettino Craxi angeblich seinen Freund und Verbündeten Berlusconi gebeten, mit einem höheren Gebot für den Lebensmittelkonzern SME den Verkauf zu verzögern und zu verhindern. Berlusconi soll damals eigentlich nicht am Kauf interessiert gewesen sein, durchkreuzte aber die Pläne des Verlegers und Industriellen De Benedetti, dem heute immer noch die Zeitung „La Repubblica“ gehört. De Benedetti verlor damals einen Schadenersatzprozess gegen Berlusconi. Die Ermittler meinten, dass Berlusconi und sein Ex-Rechtsanwalt Cesare Previti die Richter bestochen haben könnten, um den Prozess zu gewinnen.

Das Verfahren belastete die italienische Innenpolitik seit Jahren. 2003 hatte das Regierungslager in Rom versucht, den Prozess durch die Verabschiedung eines Immunitätsgesetzes zu Fall zu bringen. Das Verfahren wurde zunächst ausgesetzt, musste später aber nach Einspruch des Verfassungsgerichts wieder aufgenommen werden.

Berlusconi feierte den Freispruch. „Mit Recht habe ich in Ruhe auf das Ende des Prozesses gewartet. Ich war mir meiner vollen Unschuld bewusst“, kommentierte der italienische Ministerpräsident. Berlusconi hat in der Vergangenheit mehrfach erklärt, er wolle auch im Falle einer Verurteilung in erster Instanz nicht zurücktreten. Eher würde er auf Neuwahlen dringen. Auch Berlusconis Rechtsanwalt, Gaetano Pecorella, begrüßte das Urteil. „Ich bin sehr zufrieden. Wir werden jedoch Einspruch gegen die Verjährung einreichen. Wir wollen beweisen, dass Berlusconi vollkommen unschuldig ist“, betonte Pecorella am Freitagabend. Italien werde von einem anständigen Menschen regiert, meinte der Anwalt, der auch Abgeordneter von Berlusconis Partei Forza Italia ist. „Dieses Urteil ist eine Niederlage der politisierten Richter. Niemand hat wirklich an Berlusconis Unschuld gezweifelt“, sagte Berlusconis Vertrauensmann Claudio Scajola. Kritisch reagierte hingegen der Ex-Starermittler Antonio Di Pietro, der als erster im Jahr 1994 eine Korruptionsuntersuchung gegen Berlusconi eingeleitet hatte. „Berlusconi hat sich wieder dank der Verjährung knapp gerettet. Wir fordern aber trotzdem seinen sofortigen Rücktritt“, meinte Di Pietro.

Freispruch rettet Legislaturperiode

Italiens umstrittener Regierungschef und TV-König Silvio Berlusconi, der am Freitag vom Vorwurf der Korruption freigesprochen wurde, kann erleichtert aufatmen. Mit dem Freispruch rettet sich der Ministerpräsident vor der Schande, als erster amtierender Regierungschef in der EU gerichtlich verurteilt zu werden. Die Verteidigung hatte in den vergangenen Tagen in ihrem Plädoyer die Auffassung, das Urteil könne „die Geschichte des Landes verändern und hat Einfluss auf das Ansehen Italiens“. Die Staatsanwälte hatten acht Jahre Haft für Berlusconi gefordert. Von den Attacken ausländischer Medien und der italienischen Opposition, die ihn wegen seiner Justizschwierigkeiten arg unter Druck gesetzt hatte, ließ sich Berlusconi nicht einschüchtern. „Ich bin absolut ruhig. Ich glaube nicht, dass das Urteil die politische Situation ändern könnte“, sagte der Premier am Donnerstag in Rom. Berlusconi hat in der Vergangenheit mehrfach erklärt, er wolle auch im Falle einer Verurteilung in erster Instanz nicht zurücktreten. Eher würde er auf Neuwahlen dringen.

An Selbstbewusstsein hat es Berlusconi nie gemangelt. „Mit mir kann sich keiner vergleichen, nicht in Europa, nicht in der Welt“, hatte der Medienzar kurz vor den Parlamentswahlen 2001 getönt, die er dann klar gewann. Vor Journalisten setzte er kurz danach noch eins drauf: „Ich bin der Beste der Welt!“ Der stets braungebrannte Lombarde ist die Verkörperung des italienischen Self-Made-Milliardärs.

Fernsehen, Fußball und Forza Italia: In diesen drei Begriffen konzentrieren sich die Ambitionen des 1936 in Mailand als Sohn eines Bankangestellten geborenen Berlusconi, der gern über die bescheidenen Verhältnisse seiner Jugendjahre erzählt. Angefangen hatte er seine Karriere als Staubsaugerverkäufer und Animateur auf Kreuzfahrtschiffen. Mit 25 Jahren hatte er den Doktortitel der Rechtswissenschaften der Universität Mailand in der Tasche und eine Riesenkarriere im Sinn. Im Jahr 1961 stieg er in die Baubranche ein. Er erwarb mit teils undurchsichtigen Bankkrediten in der Peripherie der expandierenden lombardischen Wirtschaftsmetropole Grundstücke, auf denen er Wohnsiedlungen errichtete. In der Folgezeit baute er ganze Stadtviertel auf.

Parallel dazu wurde er in den 70er Jahren in der Medienbranche aktiv. 1977 begann der „Cavaliere“ – wie er sich als Träger des Verdienstordens „Ritter der Arbeit“ nennen lässt – seine Karriere im Mediengeschäft. Nach und nach baute er sich ein Netz von privaten TV-Sendern auf, das bald mit Abstand zum größten seiner Art in Europa wurde. Dass er dabei von oft zwielichtigen Freundschaften in Politik und Finanzwelt profitiert habe, warf und wirft man ihm immer wieder vor. In den 80er Jahren stieg der Unternehmer auch ins Fußballgeschäft ein. Er erwarb den krisengeschüttelten Fußballklub AC Milan, den er in wenigen Jahren zu einer der stärksten europäischen Mannschaften machte.

Im Herbst 1993 begann der TV-Magnat schließlich seine politische Karriere. Er verzichtete darauf, sich persönlich um seine Holding Fininvest zu kümmern, deren Eigentümer er aber blieb, und gründete seine Partei Forza Italia (Italien vorwärts). 1994 gewann er die Parlaments- und Europawahlen an der Spitze einer Mitte-Rechts-Allianz. Wegen Konflikten zwischen ihm und seinen Koalitionspartnern brach das Bündnis aber nach knapp sieben Monaten zusammen. Entgegen den Erwartungen seiner Gegner kehrte der stets siegessichere Mann der Politik nicht den Rücken, sondern begnügte sich mit der Rolle des Oppositionschefs, während er seine Forza Italia und seine Allianz deutlich stärkte. Nach einer siebenjährigen „Durststrecke“ konnte Berlusconi bei den Parlamentswahlen im Mai 2001 sein Comeback als Regierungschef feiern.

Justizangelegenheiten überschatten Berlusconis politische Karriere seit der Gründung der Forza Italia. Der Ministerpräsident, der in Mailand wegen mutmaßlicher Richterbestechung auf der Angeklagtenbank sitzt, scheute bisher kein Kräftemessen mit der Linken, um umstrittene Justizreformen durchzusetzen, mit denen er laut Opposition sich und seine Vertrauensmänner vor einer Verurteilung zu retten versucht. Nach einem neuen Gesetz mit milderen Strafen bei Bilanzfälschung, der Erschwerung des Austauschs von Gerichtsakten mit anderen Staaten und der Einführung eines „Sonderschutzes“ für Angeklagte, die sich von „voreingenommen“ Richtern verfolgt fühlen, setzte Berlusconi eine umstrittene Vorlage zur Stärkung der Immunität der höchstrangigen Staatsvertreter durch.

Einfach wird es Berlusconi auch in den nächsten Wochen nicht haben. Die Opposition setzt in Hinblick auf die Regionalwahlen im Frühjahr 2005 arg unter Druck. Der Regierungschef reagierte mit der Ankündigung, er wolle in den kommenden Monaten das Wahlrecht ändern, um den Zusammenhalt in seiner Koalition zu stärken. Die Mitte-Links-Allianz droht dagegen mit Massenkundgebungen. Trotz des Freispruchs wird Berlusconi auch in den kommenden Monaten kein ruhiges Leben haben.

Die Prozess-Serie von Berlusconi

1994 – BESTECHUNG VON POLIZISTEN:

Berlusconi wird erstmals Regierungschef und wird gleichzeitig beschuldigt, die Finanzpolizei geschmiert zu haben. Verurteilung zu 33 Monaten Gefängnis 1998; zwei Jahre später Freispruch im Berufungsverfahren, teils wegen Verjährung. Im Oktober 2001, kurz nach dem zweiten Amtsantritt Berlusconis als Regierungschef, bescheinigt ihm das Kassationsgericht seine Unschuld.

1995 – BILANZFÄLSCHUNG:

Zum Teil mit Geldern aus schwarzen Kassen soll Berlusconi den Fußballer Gianluigi Lentini für seinen Verein AC Mailand gekauft haben. Im November 2002 wird der Fall wegen Verjährung ad acta gelegt, nachdem die Regierungsmehrheit im Parlament die Strafen für Bilanzfälschung stark gelockert hatte.

Wegen Bilanzfälschung und unerlaubter Bereicherung beim Erwerb der Filmfirma Medusa durch ReteItalia, eine Tochtergesellschaft von Berlusconis Holding Fininvest, wird er 1997 zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt. Die Berufungsinstanz spricht ihn 2000 frei; das Kassastionsgericht bestätigt den Freispruch.

1995 – STEUERBETRUG:

Beim Kauf einer Luxusvilla in Macherio bei Mailand soll Berlusconi Steuern hinterzogen haben. Der Freispruch wegen Verjährung wird durch ein Amnestiegesetz gedeckt.

1995 – ILLEGALE PARTEIENFINANZIERUNG:

Über die Offshore-Gesellschaft All Iberian soll Berlusconi der Sozialistischen Partei Italiens Gelder zugeschoben haben. Verurteilung in erster Instanz zu 28 Monaten Haft im Juli 1998; die Berufungsinstanzen stellen Verjährung fest.

1996 – BILANZFÄLSCHUNG:

Weitere Affäre im Zusammenhang mit All Iberian; in Erwartung des Urteils des Europäischen Gerichtshof zum italienischen Amnestiegesetz für Bilanzfälschung ist der Prozess bis März 2005 suspendiert.

In Spanien werden Ermittlungen wegen Steuerflucht und Verstoß gegen das Kartellrecht eingeleitet. Hintergrund ist eine Affäre um den Kauf des Unternehmens Telecinco. Die Ermittlungen wurden 2001 unterbrochen.

1998 – RICHTERBESTECHUNG:

Beim Kauf des Verlagshauses Mondadori durch die Firma Fininvest sollen Schmiergelder geflossen sein; die Berufungsinstanzen erklären den Fall für verjährt.

Fininvest soll 1985 Schmiergelder an Richter gezahlt haben, um den Kauf des halbstaatlichen Unternehmens SME durch den Industriellen Carlo De Benedetti zu verhindern. Suspendierung des Prozesses im Juni 2003 wegen eines auf Berlusconi zugeschnitteten neuen Immunitätsgesetzes. Die Aufhebung des Gesetzes durch das Verfassungsgericht Anfang 2004 ermöglicht die Wiederaufnahme des Mailänder Verfahrens. Einer der Mitangeklagten, Cesare Previti, wurde bereits zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

2003:: Seit vergangenem Jahr ermittelt die Mailänder Staatsanwaltschaft gegen Berlusconis Unternehmen Mediaset wegen Steuerhinterziehung bei An- und Verkäufen von Fernseh- und Filmrechten.

Heikle Tage für Berlusconi: Urteil gegen Vertrauensmann erwartet

Dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi stehen heikle Tage bevor. Der Regierungschef fiebert nicht nur dem ihn selbst betreffenden Urteil im Mailänder Korruptionsprozess entgegen – dieses wird voraussichtlich noch am (heutigen) Freitagnachmittag nach dreijährigem Verfahren ausgesprochen. Am Samstagvormittag werden die Richter in Palermo auch das Urteil im Prozess gegen Berlusconis Vertrauensmann Marcello Dell’Utri bekannt geben, der der Mafia-Verstrickungen verdächtigt wird.

Seit zwölf Tagen beraten die Richter über das Urteil. Die Staatsanwälte von Palermo werfen dem 63-jährigen Dell’Utri vor, in den achtziger Jahren und bis 1994 Verbindungen zur sizilianischen Mafia gepflegt zu haben. Sie fordern deswegen elf Jahre Haft für den Politiker. Die Justizbehörden vermuten, dass Dell’Utri – er ist seit 1994 Parlamentarier der Forza Italia – der Mafia Schmiergelder gezahlt hat.

Dell’Utri hatte sich stets als Opfer einer politischen Verfolgungskampagne bezeichnet. Er war Ende April von einem Mailänder Gericht wegen eines Erpressungsversuchs zu zwei Jahren Haft und zur Zahlung einer Entschädigung von 15.000 Euro verurteilt worden. Laut den Richtern hatte Dell’Utri im Jahr 1992 als Chef von Berlusconis Werbefirma Publitalia mit Unternehmern ein Sponsor-Abkommen für ein sizilianisches Basketballteam im Wert von 550.000 Euro abgeschlossen. Er hatte jedoch die Hälfte der Summe schwarz als steuerfreies „Honorar“ verlangt.

Der ehemalige Geschäftsführer der „Publitalia“ war 1996 von einem Gericht in Turin bereits zu drei Jahren Haft wegen Steuerbetrugs und Urkundenfälschung verurteilt worden. Der aus Sizilien stammende Dell’Utri war im Mai 1995 in Untersuchungshaft genommen worden, da er angeblich Unterlagen gefälscht und Beweismaterial vernichtet hat.

Die Schwierigkeiten mit der Justiz haben Dell’Utris Karriere aber nicht gebremst. Vor zehn Tagen rückte er zur Nummer zwei der Forza Italia, Italiens stärkster Regierungspartei, auf. Dell’Utri, seit mehr als 20 Jahren Vertrauensmann Berlusconis, wurde zum Vizevorsitzenden der Gruppierung ernannt. Er soll nun eine Strategie für die Regionalwahlen im kommenden Frühjahr entwerfen und der Partei neuen Schwung verleihen, nachdem sie im vergangenen Jahr starke Einbußen in der Popularität hinnehmen musste.

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