Die gute alte Zeit hatte ihren Schatten. Im ersten Band ihrer Serie Tatort Wien. Die Zeit von 1900 – 1924 (Edition Seyrl) zeigen der Chef des einstigen Sicherheitsbüros, Max Edelbacher, und Harald Seyrl, Gründer des Kriminalmuseums, dass unter der bürgerlichen Oberfläche der Monarchie und in der Zeit danach die selben Abgründe lauerten wie heute. Jeder einzelne der Bezirke der Bundeshauptstadt hat seine blutigen Geschichten voller Sex, Wahnsinn, obsessiver Liebe und Gewalt.
Blutige Spur durch alle Schichten
Die Blutspur zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten: Ob ein Kutscher, der aus Eifersucht das Kind eines Stubenmädchen mit den Worten Willst Du tot sein? erschießt, Alkoholiker einander beim Branntweiner mit Messern an die Kehlen gehen oder die gut gutbürgerliche Kamilla Rybitzky aus Verzweiflung über eine Trennung, ihrem Geliebten, den Prinzen Georg von Sachsen Coburg und Gotha, zuerst Säure ins Gesicht schüttet und ihm dann ins Gesicht schießt – sie alle finden sich auf einem Tatortfoto oder einer Illustration in der Kronen Zeitung wieder.
Auch die Scheinmoral der damaligen Zeit wird von den Autoren dokumentiert. Die Geschichte des tolerierten Hauses der Regine Rehl erzählt etwa, wie ein Journalist der Kupplerin das Handwerk legte, die Mädchen wie Sklavinnen hielt und wohlhabenden Herren der Gesellschaft zuführte.
Skurrile gestalten
Wien hatte aber auch skurrile Gestalten zu bieten. Der Schlingenwerfer verfolgte etwa Frauen und brachte sie bei passender Gelegenheit durch eine Art Lasso zu Fall . Dann ergötzte er sich an den Hilfeschreien – und suchte das Weite, ohne seine Opfer anzurühren.
Ein Bogen, der sich vom tragischen Schicksal nächtlicher Fuhrwerker aus dem kaiserlichen Wien bis zum traurigen Trog Drogenabhängiger in trostlosen U-Bahn-Toiletten der Großstadt unserer Tage zieht und erkennen lässt, wie sehr Kriminalität in vielfältiger Form oft auch ein Kind der jeweiligen Zeit und ihrer Probleme ist, so Edelbacher.