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Deutschland: Max Schmeling ist tot

Ein großes Boxer-Herz hörte auf zu schlagen: "Deutschlands Sportler Nummer eins" ist 99-jährig gestorben. Sein Credo bis zuletzt: "Wenn es einem gut geht, soll man dafür sorgen, dass es auch anderen gut geht."

Ein weltberühmtes Boxer-Herz hat aufgehört zu schlagen. Der Tod von Deutschlands populärstem Sportler Max Schmeling im Alter von 99 Jahren kam überraschend. Kräftig in der Erscheinung, vor Energie und Zuversicht strotzend, präsentierte sich Schmeling selbst im hohen Alter. Er schien gleichermaßen unverwüstlich und außergewöhnlich zu sein. Jetzt bleiben nur noch die Erinnerungen an eine der herausragendsten deutschen Sportpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.

Der frühere Bundespräsident Walter Scheel hatte Schmeling in einem Glückwunsch-Telegramm zu dessen 70. Geburtstag zu „Deutschlands Sportler Nummer eins auf Lebenszeit“ erkoren. Die gewaltige Popularität des einzigen deutschen Profibox-Weltmeisters aller Klassen blieb bis zu seinem letzten Tag ungebrochen. Sie überstieg sogar die von Steffi Graf, Michael Schumacher und Boris Becker oder seiner Freunde Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz Beckenbauer und Henry Maske.

Schmeling selbst erschien es sonderbar, wie er sagte, „dass ich mit meinen großen Kämpfen nach den vielen Jahrzehnten noch so viel Aufmerksamkeit erhalte – und das vor allem aus Amerika“. In Übersee tauft zwar heute keiner mehr seine Kinder auf die Namen Max oder Anny (nach Schmelings Ehefrau), wie es landesweit aus Verehrung nach seinem spektakulären K.o.-Sieg am 19. Juni 1936 im New Yorker „Yankee Stadium“ gegen Joe Louis geschah, doch die Symbolfigur des deutschen Sports erhielt ungezählte Interviewwünsche und Autogrammpost aus allen Himmelsrichtungen.

Dies alles schmeichelte seinem Ego, zugleich erwuchs daraus aber auch die glückliche Erkenntnis, „das Leben richtig gelebt zu haben“. Der Sohn eines Steuermanns der Hamburg-Amerika-Linie und einer Bauerntochter war stets um Anstand und Sitte, um Harmonie und Gerechtigkeit, um Ehrlichkeit und Bescheidenheit bemüht und führte 54 Jahre eine skandalfreie Ehe.

„Wenn es einem gut geht“, lautete Schmelings Credo, „soll man dafür sorgen, dass es auch anderen gut geht.“ Und er verwirklichte das auf ganz praktische Art. Durch seine 1991 gegründete Stiftung gewährte das kinderlos gebliebene Idol bedürftigen Menschen finanzielle Hilfe. Insgesamt 15 Organisationen und Interessengruppen sowie einzelne Personen können auch in Zukunft auf Zuwendungen bauen. Die Liste jener, die von den Zinsen seines auf „gut zwei Millionen Mark“ angewachsenen Stiftungskapitals profitieren dürfen, trug er stets griffbereit in der linken Brusttasche seines Sakkos.

Der Sport heute mobilisiere vielleicht einige Millionen mehr als zu seiner Epoche. Aber die totale Identifikation des Mannes von der Straße mit den Gladiatoren des Ringes oder der Haarnadelkurve gebe es nicht mehr, behauptete Schmeling, der zwischen 1924 und 1948 insgesamt 70 Profikämpfe bestritt, von denen er 56 gewann. Dass er zum Idol wurde, verdankte er mehr der Epoche als sich selbst. „Die Namen anderer Athleten“, formulierte er einst, „werden von der Zeit ausgelöscht. Die der Weltmeister im Schwergewicht nicht. Sie leben wie Herkules im Gedächtnis fort, aufgehoben in der Legende.“

An Ruhestand verschwendete der Mann keinen Gedanken. Mit pedantischer Selbstdisziplin versuchte er stets sich fit zu halten. Jeden Morgen nach dem Aufstehen spulte er über viele Jahre sein Fitnessprogramm ab. So glaubte er, seine Vision verwirklichen zu können. Doch 238 Tage vor seinem 100. Geburtstag hörte das weltberühmte Boxer-Herz für immer auf zu schlagen.

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