Irak: Bangen nach Entführung von Journalistin
Ein Sprecher der Hilfsorganisation Un ponte per… sagte am Samstag, der im Bekennerschreiben vom Freitag genannte Name Organisation des islamischen Dschihad sage nichts aus. Das identifiziert keine bestimmte Gruppe. Eine Kollegin Sgrenas erhielt indes einen Anruf von deren Handy.
Die wenig bekannte Fundamentalistengruppe hatte die Entführung Sgrenas als Botschaft an die italienische Regierung bezeichnet. Kein Italiener wird sicher sein, solange sich ein einziger italienischer Soldat auf irakischem Boden befinden wird, hieß es in der Botschaft nach Angaben italienischer Medien. Italien solle seine Streitkräfte binnen 72 Stunden aus dem Irak abziehen, hieß es in der Erklärung weiter.
Ein ähnliches Bekennungsschreiben war nach der Entführung der beiden freiwilligen Helferinnen Simona Torretta und Simona Pari im September im Irak veröffentlicht worden. Nach eigenen Angaben gehörten ihre Entführer keiner politischen Gruppe an. Damals waren zwei Bekennerschreiben einer Gruppe Islamischer Dschihad im Irak aufgetaucht, die von der Regierung in Rom jedoch als wenig glaubhaft eingestuft wurden. Die beiden Italienerinnen waren nach einer dreiwöchigen Gefangenschaft freigelassen worden.
Die 56-jährige Giuliana Sgrena, Reporterin der kommunistischen Tageszeitung Il Manifesto, war in der Nähe der Universität in der irakischen Hauptstadt von einem bewaffneten Kommando gekidnappt worden, während sie mit einem Dolmetscher zu einer sunnitischen Moschee fuhr. Zeugenberichten zufolge kam es zu einer Schießerei, als die Täter die Journalistin in ein Fahrzeug zerrten.
Die italienische Reporterin Barbara Schiavulli von der römischen Rundfunkstation GRT berichtete, sie habe am Samstagvormittag einen Anruf vom Mobilfunktelefon der entführten Journalistin erhalten. Niemand hat gesprochen, doch im Hintergrund habe ich arabische Musik gehört, berichtete Schiavulli, die mit Sgrena ein Zimmer in einem Hotel in Bagdad teilte und den Überfall auf ihre Kollegin über Handy mitverfolgen konnte.
Innenminister Giuseppe Pisanu versprach den vollen Einsatz der Regierung zur Befreiung der Reporterin. Wenn es sich um eine politische Entführung handelt, werden die Kidnapper bald erfahren, dass sich Sgrena für die Rechte der irakischen Frauen einsetzte und dass sie dem irakischen Volk sehr nahe steht. Wenn es sich um Kriminelle handelt, könnten die Verhandlungen langwieriger sein, sagte der Innenminister.
Regierungschef Silvio Berlusconi erklärte sich über die Entführung bestürzt und versprach seinen vollen Einsatz zur Befreiung der Reporterin. Der Bürgermeister von Rom, Walter Veltroni, kündigte für den heutigen Samstag eine Solidaritätskundgebung mit Sgrena, einer angesehenen Schriftstellerin und Islamexpertin, vor dem römischen Rathaus.
Die Entführung Sgrenas ist ein neuer Schock für Italien, sechs Monate nach dem Mord am Journalisten Enzo Baldoni im Irak. Seit einem Monat sind dort auch die französische Journalistin Florence Aubenas (Liberation) und ihr irakischer Mitarbeiter verschollen.