AA

Das unfassbare Martyrium von Jacqueline

Mit einem Bügeleisen, brennenden Zigaretten und einem erhitzten Kochlöffel wurde die damals zehnjährige Jacqueline im November 2003 in Wien-Floridsdorf über Wochen hinweg von ihren Eltern gequält - Prozess am Dienstag.

Fassungslosigkeit hat sich bei mir wie ein roter Faden durch die Aktenerledigung gezogen. Weil ich mir bis heute nicht vorstellen kann, was jemanden dazu bringen kann, mit einer derartigen Gewalt und Brutalität über Monate hinweg gegen ein zehnjähriges Kind vorzugehen“, meinte Staatsanwalt Christian Temsch im Wiener Straflandesgericht. Dort wurde am Dienstag der Prozess gegen Sasa J. (28) und seine Ehefrau Suzana (27) eröffnet, die in ihrer Wohnung in Wien-Floridsdorf seine Tochter Jacqueline auf unvorstellbare Weise gefoltert hatten.


Die Kleine wurde nackt am Rücken liegend an den Lattenrost ihres Bettes gefesselt. Ihre Stiefmutter malträtierte sie mit einer brennenden Kerze und einem erhitzten Löffel im Schambereich. „Wie ich reingekommen bin ins Zimmer, lag sie schon da und war verbrannt“, erzählte Sasa J. den sichtlich geschockten Geschworenen.

Unfassbare Details


Begonnen hatten die Übergriffe, als Sasa J., der aus zwei Ehen insgesamt fünf Kinder hat, Jacqueline wieder zurück nach Wien holte. Ihre Großeltern hatten sie nach Serbien mitgenommen, nachdem sich der Mann zum ersten Mal scheiden hatte lassen und seine zweite Frau Suzana ihr einen Zahn ausgeschlagen hatte. Im August 2003 kam dem beschäftigungslosen Sozialhilfeempfänger zu Ohren, dass es Jacqueline dort nicht gut ging.


„Ich wollte, dass es ihr hier besser geht“, erklärte der 28-Jährige. Er habe außerdem geglaubt, Jacqueline werde in Serbien missbraucht. In Wahrheit kam es jedoch erst in Wien zu Übergriffen – angeblich deshalb, weil sich die Zehnjährige nach Darstellung der Eltern ständig selbst befriedigt habe.


„Das ist bei uns ein Tabu in unserem Kulturkreis. Wenn die Mädchen verheiratet werden, müssen sie Jungfrau sein“, meinte der Vater. Deswegen habe seine Frau begonnen, auf seine Tochter einzuschlagen. Er habe das “übernommen“: „Ich habe das bei meinem Vater gesehen. Das war ganz normal“.


Was dann weiter geschah, „kommt in meinem Fall in beruflicher Hinsicht zum Glück nicht häufig vor“, so der Staatsanwalt: Weil Jacqueline angeblich nicht mit dem Selbstbefriedigen aufhörte, „hat die Frau gemeint, dass wir sie fesseln sollen. Das habe ich gemacht“, meinte Sasa J. Er habe dem Mädchen erklärt: „Jackie, ich muss das machen, damit du es nicht mehr machst.“ „Sie hat ’Okay!’ gesagt“, behauptete der Angeklagte.


Mitunter wurde die Zehnjährige die ganze Nacht an ihr Bett gefesselt. Dass sie weinte, um Hilfe schrie, sich anmachte, kümmerte die Eltern nicht. Er habe ihr die Handgelenke „leicht“ verschnürt, betonte der Vater: „Ich wollte ihr nicht weh tun.“


Seine Frau habe die Züchtigungen immer mehr gesteigert, er habe sich nicht einzugreifen getraut, um nicht die Familie zu zerstören:
„Ich war in einer verzwickten Situation. Ich habe nicht gewusst, wie ich reagieren soll.“


Suzana J. drückte dem Mädchen unter anderem ein glühendes Bügeleisen gegen den nackten Oberkörper. Der Vater behandelte die Brandverletzungen nicht: „Ich habe mich geschämt, dass ich das anschaue, deswegen habe ich die Wunden nicht versorgt.“


Nachdem die Stiefmutter dem Kind einen tiefen Schnitt am Unterarm zugefügt hatte, kam Jacqueline Ende November 2003 endlich ins Spital. Dort wurden Schädelverletzungen und Serienrippenbrüche festgestellt. Neun Prozent des Körpers waren verbrannt. Mittlerweile befindet sich das Kind in der Obhut ihrer leiblichen Mutter.


„Sie war ein liebes, ganz normales Kind, das jetzt zutiefst traumatisiert und verängstigt ist“, stellte die Anwältin Eva Plaz fest, die in dem Strafverfahren Jacquelines Interessen vertritt. Wie sie verriet, hätten gewisse Medien „Unsummen“ für Interviews und aktuelle Fotos des gemarterten Kindes angeboten.


Um der inzwischen Zwölfjährigen weitere seelische Qualen zu ersparen, muss sie in dem Prozess nicht mehr aussagen. Am Nachmittag wird das Video mit ihrer kontradiktorischen Einvernahme vor dem U-Richter abgespielt. Zuvor wird noch Suzana J. befragt. Das Verfahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs, Kindesmisshandlung und absichtlicher schwerer Körperverletzung ist auf drei Tage anberaumt.
.

  • VIENNA.AT
  • Wien
  • Das unfassbare Martyrium von Jacqueline
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.