Mit eindringlichen Worten hat UN-Generalsekretär Kofi Annan alle Regierungen der Welt zur umfangreichsten Reform der Vereinten Nationen in ihrer 60-jährigen Geschichte aufgefordert. Zu den Kernaufgaben zählte er am Montag die Erweiterung des UN-Sicherheitsrates, von der sich unter anderem Deutschland eine Aufnahme als neues ständiges Mitglied des Rates verspricht. Statt immer neuer Versprechungen von Staats- und Regierungschefs zur Lösung der bedrückendsten Probleme der Menschheit seien Taten zur Erfüllung der bereits gemachten Versprechen erforderlich, betonte Annan.
Er rief die 191 UN-Mitgliedstaaten auf, seine Vorschläge zur Modernisierung der angeschlagenen Weltorganisation nicht auseinander zu dividieren, sondern sie in ihrer Gesamtheit als Paket auf der UN-Gipfelkonferenz im September zu beschließen. Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechte seien dabei die überragenden und untrennbaren Grundsätze. Der Sicherheitsrat müsse von 15 auf 24 Mitglieder erweitert werden, damit er repräsentativer sei und den geopolitischen Realitäten von heute besser entspreche. Zugleich schlug Annan die Umwandlung der Menschenrechtskommission in ein kleineres, aber effektiveres Gremium sowie eine deutlich stärkere internationale Hilfe für die ärmsten Länder vor.
Deutschland, Frankreich und Großbritannien sagten wie zahlreiche weitere Länder konstruktive Zusammenarbeit zu, so dass die Reform im September beschlossen werden könne. Berlin betonte die Unterstützung für das gesamte Reformpaket, das nach einem Begriff aus der Präambel der UN-Charta unter dem Motto In größerer Freiheit steht. Annan habe der Reform einen ganz starken, kräftigen und neuen Impuls gegeben, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. Die Bundesregierung unterstütze zudem seine Forderung, per Abstimmung über die Erweiterung des Sicherheitsrates zu entscheiden, wenn kein Konsens erreichbar sei.
Für die Erweiterung des Sicherheitsrates bietet das Reformpapier zwei Varianten. Deutschland bevorzugt das so genannte A-Modell, weil nur dieses auch die Aufnahme neuer ständiger Ratsmitglieder vorsieht. Einige Staaten, darunter Italien, treten für das Modell B ein, wonach lediglich weitere nichtständige Mitglieder für zwei bis vier Jahre den Rat verstärken sollen.
Zwei Jahre nach Beginn des Irak-Krieges, für den der Sicherheitsrat unter Führung Frankreichs und des damals zeitweiligen Ratsmitglieds Deutschland den USA ein Mandat versagte, forderte Annan nun auch klare Kriterien zur Erteilung einer UN-Erlaubnis für die Anwendung militärischer Gewalt. Außerdem soll es eine völkerrechtlich anerkannte Definition für Terrorismus geben. Im neuen Rat für Menschenrechte würden nach Annans Vorstellungen keine Staaten Sitz und Stimme haben, in denen die Menschenrechte verletzt werden.
Europäische UN-Diplomaten bezeichneten Annans Programm als möglicherweise letzten großen Versuch zur Rettung der UN. Neokonservative UN-Gegner in den USA verlangten in letzter Zeit lautstark einen Zahlungsstopp der US-Mitgliedsbeiträge und teils sogar die Ausweisung der Weltorganisation.