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EU: Sorgen wegen Neuwahlen in Deutschland

Die Nachricht von Neuwahlen in Deutschland noch im Herbst hat auch die Europäische Union erschüttert. "Natürlich macht uns die Entwicklung in Deutschland die allergrößte Sorge", so ein führender Kommissionsbeamter.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich am Sonntagabend im Gebäude des Ministerrates ebenso wie im gegenüberliegenden fast menschenleeren Palais der EU-Kommission die Nachricht von einem möglicherweise schon baldigen Regierungswechsel in Berlin.

Als Jose Manuel Barroso, der Präsident der EU-Kommission, gegen 19.30 Uhr einen kleinen handverlesenen Kreis von Journalisten empfing, gab er sich diplomatisch. „Die Gründe, die für eine Einigung im Haushaltsstreit noch im Juni sprechen, sind immer noch da.“ Und: „Ich überlasse die Frage, ob es wegen der deutschen Wahlen schwieriger wird, sich zu einigen, den politischen Kommentatoren.“

Tatsächlich jedoch gingen am Sonntagabend im Berlaymont, dem sternförmigen Gebäude der Kommission, sämtliche politischen Warnlampen an. Was denn nun aus den schwierigen Verhandlungen über die Finanzplanung der EU für die Jahre 2007 bis 2013 wird und ob es nach der Überraschung aus Berlin noch eine vernünftige Aussicht auf einen Kompromiss geben kann, ist seit der Ankündigung der Neuwahlen in Deutschland ungewisser denn je. So hörte man denn auch im 13. Stock des Berlaymont, wo Barroso regiert, inoffiziell ein entsetztes „Mon Dieu!“ „Natürlich macht uns die Entwicklung in Deutschland die allergrößte Sorge“, sagt ein führender Kommissionsbeamter. „Die Frage ist doch, was Deutschland jetzt noch entscheiden kann.“

Die Berliner Regierung spielt im Milliardenpoker um das künftigen EU-Budget als eines von sechs „Nettozahler“-Ländern (zu denen auch Österreich gehört) eine Schlüsselrolle. Die Frage, ob die EU 815 Milliarden oder aber 1,025 Billionen Euro ausgeben darf, hat massive Folgen nicht nur für den deutschen Staatshaushalt, sondern möglicherweise auch für die deutschen Steuerzahler. Der deutsche Kanzler Gerhard Schröder, der bisher schon die 815 Milliarden für zu viel hält, wird beim EU-Gipfel im Juni gefragt sein, wenn es darum geht, mögliche Kompromisse zu machen. „Wir können im Moment überhaupt nicht übersehen, ob die deutsche Regierung noch in der Lage sein wird, Verpflichtungen einzugehen, die Deutschland bis ins Jahr 2013 binden“, sagte der Kommissionsbeamte.

Ob der Kanzler im Juni noch einen Scheck ausschreiben kann, der über die Minimalposition von 815 Milliarden Euro hinausgeht, gilt nach dem Wahlabend in Düsseldorf als höchst fraglich. Wenn sich Deutschland als handlungsunfähig erweist, ist kein Kompromiss denkbar, sagen Diplomaten. Dann wird dass ganze Thema frühestens im ersten Halbjahr 2006 unter österreichischer Präsidentschaft wieder auf die Tagesordnung kommen – viel zu spät für den Haushalt 2007. Aber immerhin sieht man dann in Berlin klarer. Und in Brüssel auch.

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