D: Unterschiedliche Positionen der Parteien
Alle wollen mehr Wachstum, weniger Arbeitslose, Steuervereinfachung, Haushaltskonsolidierung und die Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme – aber teils auf entgegengesetzten Wegen. Große Unterschiede gibt es vor allem in der Gesundheits- und Steuerpolitik. dpa gibt einen Überblick über die Konzepte:
*ARBEITSMARKTPOLITIK:
SPD: An der Arbeitsmarktreform Hartz IV soll – bei Nachbesserungen im Detail – grundsätzlich festgehalten werden. Die SPD will den weiteren Abbau von Arbeitnehmerrechten verhindern, lehnt neuerliche Lockerungen beim Kündigungsschutz ab. Sie setzt sich für den Erhalt von Flächentarifvertrag und Betriebsverfassung ein. CDU/CSU: Leistungen der Bundesagentur für Arbeit sollen für niedrigere Beiträge (5,0 statt 6,5 Prozent) reduziert werden. Die Union will den Niedriglohnsektor ausbauen, mehr Lohnsubventionen und mehr betriebliche Bündnisse für Arbeit. Wenn Betriebsrat und Belegschaft zustimmen, soll untertarifliche Bezahlung möglich sein. Die Mitbestimmung soll eingeschränkt werden. Bei Neueinstellung soll der Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, auf den Kündigungsschutz gegen Zahlung einer Abfindung zu verzichten. Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I soll wieder verlängert und stärker an der Dauer der Beitragszahlung ausgerichtet werden. An der Hartz-IV-Reform, an der die Union mitwirkte, soll grundsätzlich nicht gerüttelt werden. Grüne: Die von den Grünen geforderten Hartz-Nachbesserungen zielen auf Verbesserungen bei den sozial Schwächsten. Die Klausel über zumutbare Arbeit wollen sie ändern, aktive Arbeitsmarktpolitik stärken. Im Niedriglohnsektor sollen die Sozialbeiträge zu einem größeren Teil aus der Steuerkasse bezahlt werden. FDP: Die radikalsten Vorstellungen vertreten die Liberalen, etwa beim Tarifrecht oder beim Abbau von Mitbestimmung. Kündigungsschutz soll es nur noch in Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten geben. Die Bundesagentur für Arbeit in ihrer jetzigen Form soll abgeschafft werden, Arbeitslosenversicherung stärker privatisiert werden.
*KRANKEN- UND PFLEGEVERSICHERUNG:
SPD: Die Sozialdemokraten streben eine Pflichtversicherung für alle an, die Bürgerversicherung. Die traditionellen Unterschiede zwischen Gesetzlicher und Privater Kranken- und Pflegeversicherung gibt es dann nicht mehr. In die Bürgerversicherung einbezogen werden auch Freiberufler, Beamte und Gutverdiener. Beiträge müssen auch für Kapitaleinkünfte bezahlt werden. Aus diesen Mehreinnahmen sollen Beitragssenkungen finanziert werden. Viele Details sind noch offen. Union: Die Krankenkassenbeiträge gesetzlich Versicherter sollen vom Einkommen abgekoppelt werden. Dafür zahlt jeder eine Kopfpauschale oder Gesundheitsprämie von 109 Euro im Monat; die Arbeitgeber steuern noch 60 Euro dazu. Sozial Schwache erhalten einen steuerfinanzierten Zuschuss, die beitragsfreie Versicherung von Kindern wird aus der Steuerkasse bezahlt. Die Kosten werden auf 17 Milliarden beziffert. Bei der Pflege wird mehr Kapitaldeckung angestrebt. Grüne: Die Grünen setzen wie die SPD auf die Bürgerversicherung und reklamieren das Konzept für sich: Sie setzen dabei weiterhin auf das Prinzip der paritätischen Finanzierung, also die Beteiligung der Arbeitgeber. Die Grünen wollen auch mehr Möglichkeiten zu Direktverträgen zwischen Krankenkassen, Ärzten und Krankenhäusern sowie mehr Wettbewerb für die pharmazeutischen Industrie schaffen. FDP: Die gesetzlichen Krankenkassen sollen privatisiert werden. Jeder Bürger muss eine Grundsicherung vorweisen. Bedürftige erhalten einen steuerfinanzierten Zuschuss. Der Arbeitgeberanteil wird ausgezahlt und muss versteuert werden. Aus den Mehreinnahmen für den Fiskus sollen auch Kinder krankenversichert werden.
*RENTE:
Die Rentenfinanzen sind wegen schwacher Beitragseinnahmen extrem angespannt. Zur nachhaltigen Stabilisierung der Kassenlage gibt es nur wenige Stellschrauben. Dazu zählen Rentenkürzungen, Erhöhungen des Beitragssatzes, höhere Bundeszuschüsse und/oder eine deutliche Heraufsetzung des gesetzlichen Renteneintrittsalters von derzeit 65 auf 67 Jahre. Die Möglichkeiten der Frühverrentung wurden bereits stark beschnitten. Ihre rentenpolitischen Vorstellungen haben die Parteien noch nicht festgelegt. Alle setzen aber – FDP und Union mehr, die SPD weniger – auf den Ausbau der privaten Altersvorsorge.