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Israels Polizei fürchtet Eskalation

Nach den Todesschüssen eines jüdischen Extremisten auf vier Araber hat die israelische Polizei ihre Sicherheitsvorkehrungen aus Angst vor Ausschreitungen verstärkt.

Hunderte Sicherheitskräfte bewachten am Freitag die Straßen im Norden Israels und die Plätze vor den Moscheen in der Jerusalemer Altstadt. Die Polizei rechnete nach dem Freitagsgebet oder der Beerdigung der Opfer mit Kundgebungen aufgebrachter Moslems.

Die arabische Bevölkerung Israels trat aus Protest gegen den Vorfall vom Donnerstag in einen eintägigen Generalstreik. Israels Ministerpräsident Ariel Sharon verurteilte die Tat als „terroristischen Akt“. Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas (Abu Mazen) erklärte, das „barbarische Verbrechen“ zeige die Gefahr, welche die jüdischen Siedler für die Palästinenser darstellten. Die radikale Organisation Hamas drohte mit Rache. Ein Hamas-Sprecher sagte am Freitag der Nachrichtenagentur AFP, die Gruppe werde nicht tatenlos zusehen. „Der Feind wird den Preis für das vergossene palästinensische Blut erfahren.“

Zur Verstärkung zog die israelische Polizei auch Sicherheitskräfte aus dem Süden des Landes ab, wo sie wegen Massendemonstrationen von Gegnern des Gaza-Abzugs im Einsatz waren. Der Befehlshaber des Heeres, General Iftah Ron Tal, sagte, es sei mit einer „Wiederholung“ der Tat vom Vorabend zu rechnen. Der 19-jährige Attentäter, der seit mehreren Monaten in einer als ultrareligiös geltenden jüdischen Siedlung lebte und zur verbotenen rassistischen Kach-Bewegung zählte, habe das typische Profil des „jüdischen Terroristen“ gehabt, wie es der Geheimdienst Shin Beth zeichne.

In der Nacht auf Freitag nahm die Polizei in der Siedlung Kfar Tapuah im Westjordanland, wo der Attentäter gelebt hatte, drei Jugendliche im Alter zwischen 15 und 17 Jahren fest. Sie werden der Komplizenschaft verdächtigt oder sollen zumindest von den Vorbereitungen des Täters gewusst haben.

Der 19-jährige Soldat Eden Natan-Zada, der vor zwei Monaten aus Protest gegen den Gaza-Abzug desertierte, hatte am Donnerstagabend vier Menschen in einem Bus in der Nähe der mehrheitlich von Arabern bewohnten nordisraelischen Stadt Shfaram erschossen. Nach einem Streit über den Gaza-Abzug eröffnete der Extremist das Feuer und tötete den Busfahrer, einen weiteren Mann und zwei Frauen; zwölf Verletzte mussten im Krankenhaus behandelt werden. Die Opfer waren zwei christliche Araber und zwei Musliminnen. Nach der Schießerei wurde der Attentäter von einer aufgebrachten Menschenmenge gelyncht. Am Ort des Geschehens legten Trauernde am Freitag Blumen nieder.

Der Extremist soll nach Angaben der Armee nicht auf einem Soldatenfriedhof beigesetzt werden. Dagegen hätten Familien anderer Soldaten protestiert. Der Sarg mit der Leiche sei deswegen am Freitag zurück in ein Krankenhaus in seiner Heimatstadt Rishon Lezion gebracht worden, berichteten israelische Medien. Zunächst hätten Einwohner seiner Heimatstadt eine Beerdigung abgelehnt, weil ein Grab zu einer Gedenkstätte für Extremisten werden könne, hieß es in den Berichten. Der israelische Verteidigungsminister Shaul Mofaz erklärte dann, es werde keine Beerdigung auf einem Militärfriedhof geben, weil der Gefreite es „nicht Wert ist, neben israelischen Kriegshelden begraben zu werden“. Auch die als Hochburg jüdischer Hardliner bekannte Siedlung Kfar Tapuah lehnte ein Begräbnis ab.

Gegen die Armee wurden am Tag nach dem Blutbad Vorwürfe erhoben, dass der Deserteur noch im Besitz seines Gewehrs gewesen sei, obwohl er als potenziell gefährlich galt. Seine Mutter sagte der Tageszeitung „Haaretz“, sie habe die Armee zu kontaktieren versucht, um sie vor ihrem Sohn zu warnen: „Wir haben sie gebeten, ihm das Gewehr wegzunehmen.“ Sie habe jedoch keine Antwort erhalten.

Israels Ministerpräsident Sharon sagte, das Geschehene sei eine „niederträchtige Tat eines blutdürstigen jüdischen Terroristen“ gegen unschuldige Bürger gewesen. Sharon wies die Nationalversicherung an, die Hinterbliebenen des Attentats „wie die Opfer von Terroranschlägen“ zu behandeln. Es wäre das erste Mal, dass die Nationalversicherung Opfern eines von einem Juden verübten Terroranschlags hilft. Als 2004 Unterweltler in Tel Aviv eine Bombe gezündet hatten und Unschuldige starben, verweigerte die Nationalversicherung jede Hilfe. Zur Begründung hieß es, es handle sich um einen „kriminellen Akt“ und nicht um einen Terroranschlag.

Der israelische Abzug aus dem Gaza-Streifen, der mit der Räumung aller dort befindlichen 21 Siedlungen einhergeht, soll am 17. August beginnen. Es war seit langem befürchtet worden, dass jüdische Extremisten den Rückzug auch durch Gewalttaten zu verhindern versuchen. Seit Tagen protestieren zehntausende Siedler und Gleichgesinnte gegen das Vorhaben. Gleichzeitig hat die Hamas ihre Raketenangriffe auf den Süden Israels verstärkt.

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