In Polen stecken die Verhandlungen zur Bildung einer Mitte-Rechts-Koalition nach Darstellung der wirtschaftsliberalen Bürgerplattform (PO) in einer Krise. Parteichef Jan Rokita sagte vor einem Treffen mit dem designierten Ministerpräsidenten Kazimierz Marcinkiewicz, man versuche, die Schwierigkeiten im Interesse des Landes zu überwinden. Marcinkiewicz von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sagte dem staatlichen Rundfunk, es sei unklar, ob es zu einem Regierungsbündnis mit der PO kommen werde.
Entscheidend dürfte am Dienstagabend ein Treffen der Parteichefs Donald Tusk (PO) und Jaroslaw Kaczynski (PiS) sein. Tusk sagte, seine Partei wolle spätestens am Mittwoch in der Früh über eine Regierungsbeteiligung entscheiden. Tusk war am Sonntag bei der Stichwahl um das Präsidentenamt dem Zwillingsbruder Kaczynskis, Lech, unterlegen. Ende September hatte die PiS bereits die Parlamentswahlen knapp vor der PO gewonnen, obwohl Umfragen beide Male einen Sieg der Rechtsliberalen vorhergesagt hatten.
Marcinkiewicz sagte im Fernsehsender TVN24, die PiS sei der PO in den Verhandlungen über das künftige Regierungsprogramm weit entgegengekommen und habe auf Teile des eigenen Programms verzichtet, um den Willen der PO zur Zusammenarbeit zu fördern. Nun müsse der künftige Partner eine klare Aussage machen, ob er Lust auf eine Koalition habe.
Nach der Schlappe bei der Präsidentenwahl hatten sich immer mehr PO-Politiker gegen eine Regierungsbeteiligung ausgesprochen. Wir hatten erwartet, dass Donald Tusk als Staatspräsident die radikalen Ideen der PiS im Zaum halten könnte. Jetzt gibt es diese Möglichkeit nicht mehr, sagte der PO-Kandidat für den Parlamentspräsidenten, Bronislaw Komorowski, der Warschauer Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Der PO-Regionalvorstand in der Wojwodschaft Zachodniopomorskie appellierte an die Zentrale, keine Koalition mit der PiS zu bilden.
Parteichef Rokita galt bisher als größter Fürsprecher eines Bündnisses mit der nationalkonservativen Partei. Am Montagabend griff er den möglichen Koalitionspartner in einem Fernsehinterview aber scharf an und warf ihm vor, sich ein Machtmonopol im Staat verschaffen zu wollen. Die PO werde niemals akzeptieren, dass PiS allein das Innen-, Verteidigungs- und Justizministerium kontrollieren und auch den Geheimdienstchef ernennen wird. Zudem verlangte er, die Posten des Justizministers und des General-Staatsanwalts zu trennen, was die nationalkonservative Partei vehement ablehnt.
Auch bei der Wahl eines Parlamentsvorsitzenden am Mittwoch zeichnete sich ein mögliches Zerwürfnis beider Parteien ab. Zwar galt seit Wochen als ausgemacht, dass die PiS den Regierungschef und die PO den Parlamentspräsidenten stellen werde. Am Dienstag berichtete die Nachrichtenagentur PAP aber unter Berufung auf PiS-Kreise, die Partei wolle angesichts des zögerlichen Verhaltens der PO bei den Koalitionsgesprächen die Wahl von Jozef Zych von der gemäßigten Bauernpartei PSL zum Parlamentspräsidenten unterstützen. Zych hatte bei der Präsidenten-Stichwahl Kaczynski unterstützt.
Der neu gewählte Präsident Kaczynski sorgte indes weiter mit außenpolitischen Aussagen für Aufsehen. Er kündigte an, Russland erst nach einer Visite des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Polen besuchen zu wollen. Seine ersten beiden Auslandsreisen würden in den Vatikan und Washington führen, da dies den internationalen Prioritäten des Landes entspreche. Allerdings versuchte er das Image eines Euroskeptikers zu zerstreuen. Er sei lediglich gegen die EU-Verfassung, die auch von den Bürgern der Niederlande und Frankreichs abgelehnt worden sei. Zudem verlieh er seiner Hoffnung auf gute Beziehungen zu Deutschland Ausdruck. Im Wahlkampf hatte er mit deutschfeindlichen Aussagen Aufmerksamkeit erregt.