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D: Ankündigung von "schmerzhaften Eingriffe"

Die künftigen deutschen Regierungsparteien stimmen die Bürger auf "schmerzhafte und harte Eingriffe" ein. Bei den Verhandlungen über eine Große Koalition rücken die Finanzprobleme immer mehr in den Mittelpunkt.

Noch ist offen, wie der Etat saniert werden kann.

Der designierte SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck erwartet einen strikten Sparkurs der neuen Regierung. „Es wird harte Einschnitte geben“, sagte der brandenburgische Ministerpräsident am Freitag. Auch CDU/CSU-Verhandlungsführer Roland Koch forderte klare Kürzungen. Zunächst müssten Union und SPD bei den Ausgaben ansetzen, sagte der hessische CDU-Ministerpräsident vor neuen Beratungen der Koalitions-Arbeitsgruppe Finanzen. Es wäre schwierig, zunächst über höhere Einnahmen nachzudenken und erst dann über ein wenig „Alibi-Sparen“.

Der rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsident Kurt Beck warnte am Freitag vor vorschnellen Festlegungen auf Steuererhöhungen zur Sanierung der Staatsfinanzen. „Wir müssen noch stringenter die Subventionen durchgehen“, sagte der SPD-Vize. Erst danach könne man über Steuerfragen reden.

Zur Debatte steht dabei auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die Union hatte im Wahlkampf gefordert, diese Steuer von 16 auf 18 Prozent zu erhöhen. Damit sollte aber eine Senkung der Lohn- Nebenkosten finanziert werden. Die SPD lehnte im Wahlkampf eine höhere Mehrwertsteuer entschieden ab. Platzeck wollte am Freitag in einem TV-Interview aber selbst eine Erhöhung auf 20 Prozent nicht ausschließen.

Mit Ergebnissen zur Finanzfrage wird frühestens in der kommenden Woche gerechnet. Am Montag soll eine Spitzenrunde von Union und SPD erneut über den Fortgang der Koalitionsverhandlungen beraten. Bis Ende kommender Woche soll der Koalitionsvertrag fertig sein.

Die Finanzprobleme spitzen sich durch Pläne in anderen Koalitionsarbeitsgruppen zu. Die Umsetzung von Beschlüssen zur Sozial-, Familien- und Wirtschaftspolitik brächte eine Verdoppelung der Finanzlücke im Bundesbudget für 2007 auf bis zu 70 Milliarden Euro, bestätigten Unterhändler beider Seiten. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Steffen Kampeter, nannte es „völlig illusorisch“, diese Summe einsparen zu wollen. „Das sind Wünsche, keine Realitäten,“ sagte er.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) bemängelte am Donnerstagabend im ZDF, dass sich Union und SPD bisher erst auf ein Einsparvolumen von rund fünf Milliarden Euro geeinigt hätten. Nach der am Freitag bekannt gewordenen jüngsten Steuerschätzung stehen heuer und kommendes Jahr vier Milliarden Euro mehr in den Budgets von Bund, Ländern und Gemeinden zur Verfügung als noch im Frühjahr prognostiziert.

Strittige Fragen gibt es zwischen Union und SPD aber auch noch in anderen Bereichen – so etwa zur Frage einer Gesundheitsreform. Hier konnte man sich auf ein zwei Milliarden schweres Sparpaket bei den Arzneimittelkosten einigen, den Durchbruch soll ein Spitzentreffen bringen. Kontrovers sind die Positionen bisher auch zum von Rot-Grün beschlossenen Atomausstieg. Die SPD wehrt sich gegen die Forderung der Union, die Laufzeiten bestehender Atomkraftwerke zu verlängern.

Als erstes großes Reformprojekt der Großen Koalition könnte eine Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern Wirklichkeit werden. In der zuständigen Arbeitsgruppe herrschte schon von einer neuen Sitzung am Freitag weitgehende Einigkeit. Die Ministerpräsidenten wollen in der kommenden Woche in einer Sondersitzung über eine Entflechtung der Kompetenzen von Bund und Bundesländern beraten, ehe endgültige Beschlüsse gefasst werden.

Sozialverbände und Gewerkschaften kündigten indes Widerstand gegen die Pläne des designierten Arbeitsministers Franz Müntefering für vier weitere Nullrunden für die Pensionisten an. „Wir warnen Union und SPD davor, die große Koalition mit einer Rentenlüge zu beginnen“, sagte der Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), Adolf Bauer, in der „Berliner Zeitung“ vom Freitag.

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