Alle müssten helfen, dass Beschäftigung in Deutschland wieder geschaffen werde, sagte Müntefering am Freitag in Berlin vor dem Bundestag. Gleichzeitig bekräftigte der Minister seine Entschlossenheit, Schwarzarbeit zu bekämpfen. Die FDP kritisierte die geplante Mehrwertsteuererhöhung als beschäftigungsfeindlich und bekräftigte ihre Forderung nach betrieblichen Bündnissen. Müntefering zeigte sich sicher, dass die große Koalition in den kommenden vier Jahren ein gutes Stück vorankomme.
Wir werden das Wünschbare im Blick behalten und das Machbare tun. Deutschland müsse aus der Defensive geholt werden. Er kündigte entschiedene Schritte zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und beim Missbrauch von staatlichen Leistungen an. So solle bei den Hartz-IV-Gesetzen für jugendliche Arbeitslose das Rückgriffsrecht auf die Eltern eingeführt werden. Das heißt konkret, Arbeitslose unter 25 Jahren haben keinen generellen Anspruch auf eine eigene Wohnung. An dieser Stelle wolle der Staat 600 Millionen Euro sparen, sagte Müntefering. Als zentrale Herausforderung beschrieb der Minister die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit. Deshalb solle auch der zwischen Bundesregierung und Wirtschaft geschlossene Ausbildungspakt fortgeführt werden. Einen Riegel will die schwarz-rote Koalition vor die Frühverrentung schieben und die Beschäftigung von älteren Arbeitnehmern fördern. Von den über 55-Jährigen seien nur noch 39 Prozent beschäftigt, von den über 60-Jährigen sogar nur noch 22 Prozent. Wir werden im Verlauf dieser Legislaturperiode die Renten nicht kürzen, sagte der SPD-Politiker außerdem.
Dazu gehöre auch, dass die Regierung den Rentnern bis 2009 nicht höhere Krankenversicherungsbeiträge oder anderes aufdrücken werde, was eine faktische Rentenkürzung wäre. Dieses Ziel klinge bescheiden, sei jedoch eine mutige Aussage. Da die Renten an die Bruttolohn- und Gehaltssumme gekoppelt seien, müssten sie 2005 und 2006 eigentlich gekürzt werden, sagte Müntefering. Um darauf zu verzichten, habe die Koalition eine moderate Anhebung des Beitrags zur Rentenversicherung im Jahr 2007 vereinbart. Dennoch sollten die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent sinken.
Müntefering und andere Sozialpolitiker der Koalition hatten mehrfach betont, dass Rentensteigerungen in den nächsten Jahren nicht zu erwarten seien. Kritik an den Arbeitsmarktkonzept der Bundesregierung kam von der FDP. Ihr arbeitsmarktpolitischer Sprecher Dirk Niebel sagte, durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer werde vor allem in den personalintensiven Dienstleistungsbereichen die Schwarzarbeit wachsen. Der Union warf er vor, die Forderung nach betrieblichen Bündnissen als Eintrittsgeld in die große Koalition aufgegeben zu haben. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Klaus Brandner, erwiderte, wer Mitbestimmung einschränken wolle, schade dem Standort Deutschland. Man kann wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg nur mit den Menschen gestalten. Der CDU-Politiker Ralf Brauksiepe nannte es richtig, dass alle arbeitsmarktpolitischen Instrumente auf den Prüfstand gestellt würden.
Die Grünen-Politikerin Brigitte Pothmer nannte die Arbeitslosen die Verlierer der großen Koalition. Die beschlossenen Maßnahmen für mehr Beschäftigung seien nicht stark genug und nicht zukunftstauglich. Der Bundestag beschloss weiter eine Reihe von Änderungen an den Arbeitsmarktgesetzen in erster Lesung. So wird die Übergangsfrist des Arbeitszeitgesetzes um ein Jahr auf Ende 2006 verlängert. Dabei geht es um die Anrechnung von Bereitschaftsdiensten beispielsweise bei Klinikärzten als Arbeitszeit, wie es von der EU vorgeschrieben ist. Die Abgeordneten beschlossen Flexibilisierungen bei der Einrichtung von Personal-Service-Agenturen (PSA) und die Weiterführung von Fördermöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer. Außerdem wurde die Förderung für Ich-AGs bis zum 30. Juni verlängert. Danach sollen alle Fördermöglichkeiten für Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit zu einem einheitlichen Instrument zusammengelegt werden. (Schluss) glw