Zudem verschärft er die Regierungskrise in Beirut, die sich inzwischen zu einer Staatskrise auszuweiten droht. Hariris Sohn Saad, Führer der multikonfessionellen parlamentarischen Mehrheitskoalition, hat das terroristische Regime in Damaskus beschuldigt, einen regelrechten Krieg gegen den Libanon zu führen, um dessen demokratisches System zu zerstören. Die schiitischen Minister setzen unterdessen ihren Boykott fort. Saad Hariri forderte Staatspräsident Emile Lahoud in einem Interview mit dem TV-Sender Al-Arabiya neuerlich zum Rücktritt auf. Er hatte sich nach dem Sieg seiner Bewegung der Zukunft bei den Parlamentswahlen im Sommer geweigert, das Amt des Ministerpräsidenten zu übernehmen, solange Lahoud Staatsoberhaupt ist. Dieser wird von der neuen Parlamentsmehrheit beschuldigt, ein Befehlsempfänger Syriens und durch seine engsten Mitarbeiter in den Hariri-Mord verwickelt zu sein.
Das syrische Regierungsorgan Tishreen bezeichnete unterdessen Hariris politischen Verbündeten, den Drusenführer und Chef der Sozialistischen Fortschrittspartei (PSP), Walid Joumblatt, als Geisteskranken. Joumblatt hatte erklärt, dass er mit weiteren politischen Morden im Libanon rechne; nur so könne er Äußerungen des syrischen Außenministers Farouk Sharaa interpretieren. Dieser hatte am Dienstag nach einem Treffen des syrischen Präsidenten Bashar Assad mit Ägyptens Staatschef Hosni Mubarak in Kairo gemeint, erst wenn es zu einer Sanierung der bilateralen Beziehungen komme, könnten Verhandlungen zwischen Damaskus und Beirut über strittige Fragen beginnen.
Der libanesische Ministerpräsident Fouad Siniora hat am Donnerstag erklärt, dass seine Regierung auch ohne Beteiligung der schiitischen Mitglieder weiter amtiert. Im Ministerrat und im Parlament wolle die Mehrheit, dass ein internationales Tribunal eingesetzt werde, um die Verantwortlichen für den Mord an Rafik Hariri und für weitere politische Morde zur Rechenschaft zu ziehen. Ebenso trete man für die Erweiterung der Kompetenzen der UNO-Untersuchungskommission ein, betonte Siniora. Diese Beschlüsse wollten die schiitischen Regierungsmitglieder jedoch nicht mittragen.
Nach Angaben des Ministerpräsidenten wird sich die Regierung auch von Lahoud nicht an der Weiterführung der Amtsgeschäfte abbringen lassen. Nach den Bestimmungen der Verfassung führt der Staatspräsident den Vorsitz im Ministerrat. Lahoud hatte am Vortag nach einer Unterredung mit dem Fraktionschef der radikalen Hisbollah im Parlament, Mohammed Raad, erklärt, dass er die Regierungssitzungen nicht mehr leiten werde, bis die schiitischen Minister an den Kabinettstisch zurückgekehrt seien.
Nach einem Treffen ihres Führers Hassan Nasrallah mit Premier Siniora hatte die Hisbollah keine Bereitschaft zum Einlenken erkennen lassen. Ihre Vertreter im Kabinett würden den Sitzungen fernbleiben, solange die Ursachen dieser Blockade nicht beseitigt seien, erklärte ein Hisbollah-Sprecher am Mittwoch in Beirut. Die Hisbollah will unter anderem eine verbindliche Erklärung der Regierung herbeiführen, wonach die in der UNO-Sicherheitsrats-Resolution 1559 enthaltene Forderung nach Entwaffnung aller Milizen bereits erfüllt sei. Die Mehrheitskoalition hatte an die Schiitenparteien Amal und Hisbollah appelliert, ihre Blockade zu beenden und die nationale Einheit zu konsolidieren. Die Mehrheitskoalition, die sich auf 72 der 128 Parlamentsmitglieder (je 64 Moslems und Christen) stützt, besteht aus Hariris Block der Zukunft, Joumblatts PSP, der christlichen Kornet Chehwane, der Demokratischen Linken von Elias Atallah und aus Parteiunabhängigen.
Der Mehlis-Bericht belastet die Geheimdienste Syriens schwer, das im April seine Truppen nach 29 Jahren aus dem Nachbarland abgezogen hat. Der UNO-Sicherheitsrat in New York hat das Mandat der Untersuchungskommission um sechs Monate verlängert. Die antisyrische Stimmung im Libanon erreichte nach dem Mordanschlag auf den prominenten Parlamentsabgeordneten und Syrien-Kritiker Gebrane Tueni, Herausgeber der Tageszeitung An-Nahar, am 12. Dezember einen neuen Höhepunkt. Als Nachfolger von Mehlis ist der Belgier Serge Brammertz im Gespräch, der am Haager Internationalen Strafgerichtshof arbeitet. Mehlis selbst will das Amt spätestens Ende Jänner abgeben.