Bei einem palästinensischen Selbstmordanschlag im Westjordanland sind am Donnerstag vier Menschen ums Leben gekommen. Der Attentäter sprengte sich an einem israelischen Kontrollpunkt nahe Tulkarem in die Luft und riss nach Armeeangaben einen israelischen Soldaten und zwei Palästinenser mit in den Tod. Kurz nach dem Anschlag rückte die israelische Armee vorübergehend in die nahe gelegene Stadt Jenin ein und lieferte sich Schusswechsel mit militanten Palästinensern. Israelische Luftwaffe und Panzer setzten ihre Angriffe auf Ziele in der neu eingerichteten Pufferzone im Norden des Gaza-Streifens fort.
Wegen der Wucht der Explosion an dem Kontrollposten war die israelische Armee zunächst von zwei Selbstmordattentätern ausgegangen. Palästinensische Sicherheitskreise sprachen von einem Mann und einer Frau, die sich bei einer Kontrolle in die Luft gesprengt hätten. Drei Soldaten und fünf Palästinenser wurden zum Teil schwer verletzt. Der palästinensische Extremist sei mit einem Taxi in Richtung Israel unterwegs gewesen, sagte ein Militärsprecher. Als ein Wachposten den Wagen gestoppt habe, sei der Mann ausgestiegen, auf die Soldatengruppe zugegangen und habe den Sprengsatz gezündet.
Der Fernsehsender Al Arabiya berichtete, die militante palästinensische Gruppe Islamischer Jihad habe sich zu dem Anschlag bekannt. Auch der israelische Vizeverteidigungsminister Sejev Boim bezichtigte die Gruppe der Tat. Die Führung der Organisation habe von Damaskus aus eine Zelle im Westjordanland mit dem Anschlag beauftragt. Ihre Bemühungen, Selbstmordattentäter nach Israel einzuschleusen, gehen unvermindert fort, sagte Boim im israelischen Rundfunk. Er lobte die Streitkräfte, den Täter gestoppt zu haben. Der Kontrollposten hat eine schlimmere Katastrophe in Israel verhindert.
Die israelische Armee hatte die Straßensperre wegen einer Geheimdienst-Warnung errichtet, palästinensische Attentäter wollten von Tulkarem aus nach Israel einreisen, um dort während des jüdischen Chanukka-Festes Anschläge zu verüben. Die Region Tulkarem ist eine Hochburg der radikalen Palästinenser-Organisation Islamischer Jihad, die sich zu den jüngsten Selbstmordanschlägen in Israel bekannt hatte.
Panzer und Hubschrauber feuerten nach Militärangaben in der Nacht zum Donnerstag erneut Geschoße auf die von Israel neu eingerichtete Pufferzone zwischen dem nördlichen Gaza-Streifen und Israel ab. Dabei seien sechs Straßen beschossen worden, die zu Orten führten, von denen aus Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert werden könnten. Vizepremier Ehud Olmert stellte klar, dass es für die Militäroperation zur Durchsetzung der Sperrzone (Operation Blauer Himmel) keine Zeitbegrenzung gebe. Israel hatte die Palästinenser am Mittwoch mit Flugblättern zum Verlassen des 16 Quadratkilometer großen Grenzgebiets aufgefordert. Mit der Einrichtung der Sperrzone sollen palästinensische Raketenangriffe auf israelisches Gebiet künftig verhindert werden.
Der Chef des Außen- und verteidigungspolitischen Ausschusses im israelischen Parlament, Juval Steinitz, erklärte die Sicherheitszone in einem Radiointerview für zum Scheitern verurteilt. Sie könne weitere Angriffe mit palästinensischen Kassam-Raketen auf die israelische Ortschaft Sderot und die westliche Negev-Wüste nicht verhindern. Früher oder später müsse Israel eine Bodenoffensive gegen den Gaza-Streifen führen, forderte Steinitz. Die Frage ist, ob wir dafür erst angegriffen werden müssen oder selbst die Inititative ergreifen sollten. Er kritisierte die aus seiner Sicht zu große Zurückhaltung Israels. Möglich sei beispielsweise, Gaza den Strom abzudrehen, schlug Steinitz vor.
Palästinensische Sicherheitskräfte fahndeten nach Angaben des Innenministeriums nach einer dreiköpfigen britischen Familie, die am Mittwoch im Gaza-Streifen von Bewaffneten verschleppt wurde. Bisher habe sich niemand offiziell zu der Geiselnahme bekannt oder Forderungen für ihre Freilassung gestellt, so ein Sprecher. Bei den Entführten handelt es sich um eine 25-jährige Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation und ihre Eltern. Nach palästinensischen Angaben wurden sie von der Gruppe Schwarze Panter aus dem Umfeld der regierenden Fatah-Bewegung verschleppt. Laut Menschenrechtsgruppen und lokalen Sicherheitsbehörden ist die Identität der Täter aber unklar. Seit dem Abzug der israelischen Besatzungstruppen im September wurden im Gaza-Streifen immer wieder Ausländer kurzzeitig entführt, meist um Lösegeld zu erpressen.