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Saddam verließ Gerichtssaal

Bei der Fortsetzung des Prozesses gegen den gestürzten irakischen Machthaber und sieben seiner früheren Getreuen in Bagdad ist es am Sonntag erneut zu einem Eklat gekommen.

Der neue Vorsitzende Richter Raouf Rasheed Abdel-Rahman ließ kurz nach Beginn des achten Verhandlungstags zuerst Saddam Husseins Halbbruder Barzan al-Tikriti aus dem Saal führen, nachdem sich dieser mit ihm angelegt hatte. Anschießend verließen der irakische Ex-Präsident und das gesamte Verteidigerteam den Saal. Zwei weitere Mitangeklagte folgten ihnen.

Barzan, der an Krebs leidet, beklagte sich zuvor über seinen Gesundheitszustand und seine Behandlung und wurde dann des Saals verwiesen. Als Saddam Hussein deshalb drohte, aus Protest ebenfalls den Saal zu verlassen, entließ ihn der Richter. Der irakische Ex-Machthaber beschwerte sich daraufhin, der Vorsitzende lasse es ihm gegenüber an Respekt mangeln. Er lasse nicht in diesem Ton mit sich umspringen. „Ich habe Sie 25 Jahre lang regiert“, rief Saddam Hussein.

Er und seine Mitangeklagten müssen sich in dem Verfahren im Zusammenhang mit der Hinrichtung von 148 Männern in der schiitischen Stadt Dujail im Jahr 1982 verantworten. Bei einer Verurteilung droht ihnen die Todesstrafe.

Die Verhandlung wurde zunächst mit der Vernehmung einer Zeugin fortgesetzt, die ihre Aussage hinter einem Vorhang machte. Sie sagte, sie selbst sei nach einem fehlgeschlagenen Attentatsversuch auf Saddam Hussein in ihrer Heimatstadt Dujail mehr als drei Jahre lang vom Geheimdienst und von den Wärtern in zwei Gefängnissen gefoltert worden. Auch habe sie selbst gesehen, wie 25 andere Frauen gefoltert worden seien.

Später wurde der Prozess auf frühestens Mittwoch vertagt. Nach Angaben des neuen Vorsitzenden Richters könnte die nächste Verhandlung wegen eines Feiertags auch erst am Donnerstag stattfinden. Rahmans Mitte Jänner zurückgetretenem Vorgänger Rizgar Mohammed Amin war vorgeworfen worden, den Angeklagten zu viel Raum zur Selbstdarstellung gegeben und sie nicht entschieden genug in ihre Schranken verwiesen zu haben.

Unterdessen blieb das Schicksal der beiden im Irak entführten deutschen Ingenieure weiter ungewiss. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte am Samstag in Berlin vor einer Sitzung des Krisenstabes, dass er keine neuen Einzelheiten mitteilen könne. Einem Bericht des Hamburger Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ zufolge fordern die Geiselnehmer die Freilassung weiblicher Gefangener aus irakischen Gefängnissen. Außerdem solle Berlin seine „Botschaft aus dem Irak zurückziehen“ und die „Kooperation mit der abtrünnigen irakischen Regierung einstellen“, hieß es.

Begründet werde die Geiselnahme der beiden damit, dass sie zwei „ungläubige Ingenieure“ seien, die für die „ungläubige Regierung“ gearbeitet hätten. Die deutsche Regierung wollte sich zunächst nicht zu dem Inhalt der Forderungen äußern. Nahost-Experten hatten darauf verwiesen, dass vieles darauf hindeute, dass die Geiselnehmer keine einfachen Kriminellen seien.

Der Sender Al Jazeera strahlte am Samstag ein Video von vier im Irak entführten westlichen Friedensaktivisten aus. Auf dem Bildmaterial der extremistischen Gruppe „Schwerter der Wahrheit“ waren anscheinend die seit 26. November Entführten – zwei Kanadier, ein Brite und ein US-Amerikaner – zu sehen; ihre Stimmen waren nicht zu hören. Dem Sender zufolge sprechen die Entführer von einer letzten Chance, ihre Forderungen nach einer Freilassung von Gefangenen im Irak zu erfüllen. Anderenfalls würden die vier Geiseln getötet. Das Band war auf den 21. Jänner datiert.

Seit dem Sturz Saddam Husseins sind im Irak tausende Menschen entführt worden, darunter mehr als 200 Ausländer. Etwa 50 von ihnen wurden getötet.

In Saddam Husseins Geburtsort Audja bei Tikrit starben unterdessen vier irakische Soldaten durch einen Selbstmordanschlag, wie der Nachrichtensender Al Arabiya berichtete. Eine Bombe, die in einer Konditorei in Iskandariya südlich von Bagdad explodierte, tötete am Samstag nach Polizeiangaben zehn Zivilisten. In der Nähe von Kerbala entdeckte die Polizei am Samstag Leichen von sieben Zivilisten. Die Iraker waren gefoltert und dann erschossen worden. Die US-Armee teilte mit, zwei ihrer Soldaten seien in Bagdad durch Sprengstoffanschläge ums Leben gekommen. Irakische Polizisten und US-Soldaten erschossen in Kirkuk drei mutmaßliche Aufständische.

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