Das irakische Volk verliert die Geduld, sagte sie nach Gesprächen mit schiitischen, sunnitischen und kurdischen Politikern am Montag in Bagdad, wo sie am Vortag zusammen mit ihrem britischen Ressortkollegen Jack Straw überraschend eingetroffen war. Mehr noch wollten die internationalen Verbündeten des Irak den Streit um die neue Regierung beigelegt sehen. Dies habe sie den irakischen Politikern verdeutlicht, sagte Rice vor Journalisten.
Bereits zuvor war deutlich geworden, dass wegen der seit Monaten stockenden Regierungsbildung Ministerpräsident Ibrahim al-Jaafari den Rückhalt durch die Besatzungsmächte verloren hat. In US-Kreisen hieß es, Rice und Straw hätten in ihrem Gespräch mit dem irakischen Staatspräsidenten Jalal Talabani ihre Vorbehalte gegen Jaafari zum Ausdruck gebracht. Er habe nicht die Integrationskraft, die ein Ministerpräsident in der gegenwärtigen Lage im Irak brauche. Der künftige Premier sollte eine starke Führungspersönlichkeit und einigende Kraft sein. Welche Person das Amt übernehmen sollte, könne aber nur von den Irakern bestimmt werden, betonte Rice auf einer Pressekonferenz.
Der britische Außenminister bekräftigte am Montag, die Regierungsbildung müsse rasch erfolgen. Es besteht kein Zweifel, dass das politische Vakuum, das hier im Moment besteht, der Sicherheitslage nicht nützt, sagte Straw. Drei Jahre nach der militärischen Niederwerfung des Baath-Regimes unter Saddam Husseins ist nach Medienangaben erstmals eine absolute Mehrheit der Briten für den bedingungslosen Rückzug der Truppen ihres Landes aus dem Irak. Bei einer neuen repräsentativen Meinungsumfrage im Auftrag der konservativen Zeitung Daily Telegraph sprachen sich 24 Prozent der Befragten für den sofortigen Rückzug aus. Weitere 31 Prozent befürworten nach der am Montag veröffentlichten Umfrage einen Truppenrückzug innerhalb der nächsten 12 Monate unabhängig von der Situation im Irak.
57 Prozent der Briten seien inzwischen überzeugt, dass US-Präsident George W. Bush und der britische Premierminister Tony Blair falsch handelten, als sie die Militäraktion gegen den Irak anordneten. Nur noch rund ein Drittel der britischen Bevölkerung glaubt nach der Umfrage durch das Institut YouGouv, dass die Entscheidung richtig war. Im April 2003 nach der Einnahme Bagdads fanden nahezu 60 Prozent die Invasion gut und richtig, während 35 Prozent dagegen waren.
Der ehemalige Chef des US-Zentralkommandos, Anthony Zinni, hat den Rücktritt von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gefordert. In einem Interview mit dem Fernsehsender NBC kritisierte der pensionierte General am Sonntag, im Irak seien katastrophale Fehler begangen worden. Rumsfeld müsse die Konsequenzen ziehen und sein Amt abgeben.
Der ehemalige Nationale Sicherheitsberater der USA unter Präsident Jimmy Carter (1977-81), Zbigniew Brzezinski, hat für Präsident George W. Bush ein Irak-Rückzugsszenario ohne Gesichtsverlust ausgearbeitet. Washington sollte den irakischen Autoritäten suggerieren, um den militärischen Rückzug der Amerikaner zu bitten, sagte Brzezinski am Freitag dem polnischen Privatfernsehen TVN24. Gemeinsam sollte dann ein Zeitplan festgelegt werden. Anschließend solle die Führung in Bagdad zu einer regionalen islamischen Konferenz über die Stabilisierung der Lage einladen. Die USA sollten ihrerseits eine internationale Wiederaufbaukonferenz für den Irak organisieren. Ein solches Programm könnte die Angelegenheit innerhalb eines Jahres beenden, meinte der Ex-Sicherheitsberater. Man könne dann zwar nicht von einem Sieg, aber auch nicht von einer Niederlage sprechen. Schon vor dem Irak-Krieg hatte Brzezinski vor einer lang andauernden Militärpräsenz gewarnt.