Wahlen in Italien
Das reine Verhältniswahlrecht.
Dieses Wahlrecht, das Ministerpräsident Silvio Berlusconi als eines seiner letzten Gesetzesvorhaben knapp vor den Parlamentswahlen noch rasch durchsetzen konnte, hat eine wenig ruhmreiche Vergangenheit: Es prägte Italiens Ruf bis 1993 als Land grosser politischer Instabilität.
Ministerrücktritte, Misstrauensvoten und vorgezogene Neuwahlen waren an der Tagesordnung. Das geflügelte Wort, dass in Italien ein Paar Schuhe länger hält als eine Regierung, bewahrheitete sich praktisch jährlich. In sechs Jahrzehnten gab es 60 Regierungen, oft waren die Rochaden in den Kabinetten freilich nur Fassade.
Mehr Stabilität
Erst 1993, nachdem Italiens Politik durch die Korruptionsermittlungen Mani pulite (saubere Hände) bis in ihre Fundamente erschüttert worden war, versuchte man durch ein für Italien neuartiges Mischsystem aus Mehrheitswahlrecht und Verhältniswahlrecht für Stabilität zu sorgen.
Grundidee war, durch Definition von Bündnissen oder Koalitionen schon vor dem Urnengang das politische Handeln der Akteure vorhersehbarer und kontrollierbarer zu machen. Dieses System, mit dem Silvio Berlusconi bei Parlamentswahlen zwei Mal (1994 und 2001) und Romano Prodi ein Mal (1996) erfolgreich waren, blieb bis Ende 2005 in Kraft. 54 Prozent garantiert
Das neue Gesetz sieht einen Bonus für den Wahlsieger vor, um klarere Mehrheiten im Parlament zu bekommen: Dem Sieger der Wahl für das Abgeordnetenhaus wird das Erreichen von 54 Prozent garantiert.
Bei der Senatswahl erhält ein Bündnis, das in einer Region vorne liegt, mindestens 55 Prozent der Sitze dieses Gebiets. Ausserdem wurden in beiden Häusern Sperrklauseln für kleine Parteien festgesetzt.
An der Wahl für die Abgeordnetenkammer können alle Italiener ab Jahren aktiv und passiv beteiligen. Bei den Wahlen zur zweiten Kammer, dem Senat hingegen, liegt das Mindestalter bei 25 Jahren. Auch die rund drei Millionen Auslandsitaliener beteiligten sich erstmals am Urnengang.