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Kommunalwahlen in England

Erstmals seit den Parlamentswahlen vor einem Jahr werden die Engländer bei den Kommunalwahlen am 4. Mai mit ihrer Stimme ihre (Un-)Zufriedenheit mit den großen Parteien zum Ausdruck bringen.

4.361 der 19.579 Sitze in 176 der 388 Gemeinde- und Stadträte Englands werden neu vergeben. Das Hauptaugenmerk richtet sich auf London, wo alle 32 Bezirksvertretungen neu gewählt werden. Star der Kampagne ist bisher ein Reptil.

Entsprechend der hohen symbolischen Bedeutung der Wahl kämpfen bereits alle Großparteien mit großem Einsatz um die Gunst der Wähler. Die regierende Labour-Partei stellte zu Wahlkampfauftakt wieder einmal die angebliche Geschlossenheit zwischen Premierminister Tony Blair und Schatzkanzler Gordon Brown demonstrativ hervor. Allerdings sind Premier Blair und Premier-im-Wartestand Brown dabei angesichts ihrer wohlbekannten Differenzen mittlerweile bereits so verkrampft, dass sich wirklich niemand mehr von der Geschlossenheit der Partei überzeugen lässt.

Blair stellte sich freilich gegenüber allen Aufforderungen zu einer baldigen Machtübergabe weiterhin taub. Erst am Sonntag ließen sich zwei (namentlich nicht genannte) Minister in der Zeitung „News of the World“ mit der Aussage zitieren, Blair werde bis 2009 im Amt bleiben, weil er „kein Vertrauen hat, dass seine Reformen in Browns Händen sicher sind.“ Als sicheres Anzeichen für die Absicht Blairs, den Rekord von Margaret Thatcher brechen zu wollen, wertete die Zeitung auch, dass die Blairs ihr Haus soeben für ein weiteres Jahr vermietet haben: Blair wird Thatchers elf Jahre Amtszeit im Jahr 2008 erreichen.

Die schlechte Stimmungslage bei der Regierungspartei hat vor allem ein Mann verursacht: David Cameron, seit Dezember neuer Parteiführer der Konservativen. Mit einem Feuerwerk von Ankündigungen und einer Reihe geschickter Auftritte in der Öffentlichkeit bemüht sich der 39-Jährige intensiv, die Tories wieder salon- und mehrheitsfähig zu machen. Er ist bereits der fünfte konservative Widersacher Blairs, aber der erste, der seine Partei wieder in die politische Mitte zurückführen will.

Sagt er zumindest. Denn wofür Cameron wirklich steht, weiß (noch?) niemand. Diesen Umstand wollten sich Labour-Strategen zu Nutze machen und veröffentlichten in der Vorwoche ein Video mit dem Namen: „The Adventures of Dave the Chameleon“, in dem der Tory-Chef als rückgratloser Opportunist verhöhnt wird. Weil das Video aber recht lieb ausfiel, wurde es eher als Ausdruck von Labours Ratlosigkeit gewertet, zumal Cameron humorvoll reagierte: „Kann ich ein Poster davon für meine Küche haben?“, fragte er.

Selbige wird in Kürze mit Biostrom versorgt werden, denn Cameron macht sich derzeit gerade zu einem Vorstreiter grüner Anliegen. „Vote blue, go green“, lautet der Slogan der Tories in den Kommunalwahlen. Mit Labour liefert er sich derzeit eine geradezu groteske Auseinandersetzung, wer „grüner“ ist. Damit zielt er auch auf die Liberaldemokraten, die dritte landesweit präsente Partei, die sich von den Kommunalwahlen eine Bestätigung der neuen Führung unter Menzies Campbell erhoffen.

Die Müdigkeit der Bevölkerung mit neun Jahren Labour und ihre wachsende Unzufriedenheit mit weiter bestehenden Missständen im Sozial-, Gesundheits- und Schulwesen könnten der rechtsradikalen British National Party (BNP) zu Achtungserfolgen in einigen kritischen Wahlkreisen verhelfen. Nach einer Studie könnten sich bis zu 25 Prozent der Wähler vorstellen, auf lokaler Ebene für die von den anderen Parteien geächtete BNP zu stimmen. „Die Menschen sagen mir, dass wir ihre Anliegen einfach zulange vernachlässigt haben“, schlug die frühere Labour-Staatssekretärin Margaret Hodge nun Alarm.

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