Natascha: Identität durch Narbe bestätigt
Denn weitere Indizien deuteten darauf hin, die am Donnerstag bei einer Pressekonferenz im Bundeskriminalamt in Wien präsentiert wurden. Eine Narbe, die die zehnjährige Natascha hatte, weist auch die 18-Jährige auf. Zudem hat man den Reisepass des Mädchens bei der Spurensicherung in dem Verlies im Haus des Entführers in Strasshof (Bezirk Gänserndorf) entdeckt.
Das Dokument hatte die Zehnjährige bei ihrer Entführung im März 1998 bei sich. Da das Kind des öfteren mit ihrem Vater nach Ungarn reiste, hatte sie den Pass noch in der Schultasche. Nach menschlichem Ermessen gehen wir davon aus, dass es sich um Natascha Kampusch handelt, hieß es bei der Pressekonferenz.
Dass Kampusch ihrem Peiniger entkommen konnte, dürfte an einem gelockerten Umgang mit dem Entführungsopfer gelegen sein, den Wolfgang Priklopil in letzter Zeit an den Tag legte. Er war nicht mehr so vorsichtig wie am Anfang, sagte Generalmajor Nikolaus Koch, der die Ermittlungen leitet.
Ob der 44-Jährige Natascha Kampusch zum Einkaufen mitgenommen hat, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Sicher ist jedoch, dass er ab Frühling 2006 offensiver und frecher geworden ist, sagte Koch. In einem Augenblick, der für sie günstig war, ist sie hinausgelaufen. Kurzfristig war sie nicht unter seiner Kontrolle, schilderte Koch. Das Verlies hat laut dem Ermittler alle nötigen Einbauten wie Toilette und Bad, man könnte dort wohnen.
Natascha Kampusch ist weiterhin in polizeilicher und psychologischer Betreuung. Wir werden mit ihr diesen Kriminalfall Punkt für Punkt aufarbeiten. Am Mittwoch sei sie noch nicht ausführlich befragt worden. Wir haben sie gestern ausruhen lassen, sagte Koch.
Die 18-Jährige sei in guter Verfassung. Sie habe am Donnerstag bereits gefrühstückt. Und sie weiß, dass Priklopil tot ist, sagte Koch. Wie sie auf den Selbstmord ihres Entführers reagiert hat, konnte der Ermittler nicht sagen. Über das Motiv des Täters und ob sexueller Missbrauch an Natascha Kampusch stattgefunden hat, das sei noch Gegenstand der Ermittlungen. Fest stehe jedoch, dass keine Beziehung zu der Familie von Natascha Kampusch bestanden hat.
Priklopil hat sich im Zuge seiner Fahndung Hilfe suchend an einen Freund gewandt. Diesen Mann hat er vom Donauzentrum aus angerufen, damit er ihn abholt. Priklopil sagte seinem Freund, er flüchte vor einer Polizeipatrouille, weil er mit Alkohol am Steuer erwischt wurde, sagte Erich Zwettler vom Bundeskriminalamt. Der Freund hat ihn letztendlich bei der Dresdnerstraße in der Brigittenau aussteigen lassen. Deshalb hatte sich die Fahndung laut Zwettler auf den 2. und 20. Bezirk konzentriert.
Um 20.59 Uhr wurde die Polizei von den ÖBB informiert, dass sich ein Mann bei der Nordbahnstraße 56 vor die Schnellbahn geworfen hat. Bei der schwer verstümmelten Leiche wurde ein BMW-Schlüssel gefunden. Dieser passte einwandfrei zu dem sichergestellten Fahrzeug im Donauzentrum. Außerdem hatte der Selbstmörder eine weiße Hose, ein weißes T-Shirt, Adidas-Schuhe und einen braunen Gürtel an. Diese Kleidung wurde von dem Freund eindeutig wiedererkannt. Eine Obduktion und eine DNA-Analyse des Entführers waren Donnerstagvormittag noch im Gange. Wir können aber sagen, dass der Selbstmörder Wolfgang Priklopil war, betonte Zwettler.
Der Entführer war bereits im April 1998 von der Polizei befragt worden. Damals wurden mehr als 1.000 Besitzer von weißen Kastenwagen überprüft. Eine Schulfreundin hatte nämlich ausgesagt, Natascha Kampusch sei in ein solches Fahrzeug gezerrt worden. Priklopil hat bei seiner Überprüfung ausgesagt, dass er den Wagen für Bauarbeiten in Strasshof benötigte. Das klang laut Zwettler plausibel, da der Kastenwagen mit Bauschutt beladen war. Mangels weiterer Hinweise habe es damals keine Hausdurchsuchung gegeben.