Joschka Fischer, ehemals Außenminister und heimlicher Parteivorsitzender, wollte sich für immer aus der Parteipolitik zurückziehen und in die „neue Rolle des älteren Herrn“ schlüpfen. Doch so leicht fiel ihm der Abschied nicht. Unmittelbar danach brach er eine Diskussion um künftige Koalitionsoptionen der Grünen vom Zaun. Dann engagierte er sich nochmals als Abgeordneter im Atomstreit mit dem Iran. Mit Ablauf des (morgigen) Donnerstags legt er nun auch sein Bundestagsmandat nieder.
Mit Joschka Fischer geht ein grünes Urgestein. Der ehemalige Buchhändler und Taxifahrer, Schulabbrecher und Autodidakt trat 1982 in die damals neu gegründete Partei der Grünen ein und wurde bereits 1983 in den Bundestag gewählt. 1985 wechselte er in die hessische Landespolitik. Als erster grüner Umweltminister wurde er am 12. Dezember 1985 in den – inzwischen legendären – weißen Turnschuhen vereidigt. „Mit der Unterschrift unter den hessischen Koalitionsvertrag habe ich Freiheit für Macht eingetauscht. Jetzt will ich meine Freiheit zurückhaben“, so leitete Fischer seinen Rückzug aus der Parteipolitik ein, nachdem Rot-Grün im September 2005 die Bundestagswahl verloren hatte.
Einen zähen Abschied auf Raten wollte er mit dem konsequenten Entschluss vermeiden. Er wolle im Bundestag nicht den „Opa aus der Muppets-Show“ geben, der von den hinteren Oppositionsbänken aus die Regierung kritisiert, hatte er noch vor der Wahl verkündet. Doch so leicht tat er sich nicht mit der politischen Enthaltsamkeit. Zwar zeigte er sich in Fraktions- und Plenarsitzungen mit der Begründung, er wolle nach sieben Jahren ein paar Überstunden abfeiern, nur noch selten. Doch genoss er es fast widerwillig, wenn er bisweilen dennoch im Rampenlicht stand. So zog er die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bei der Grünen-Fraktionsklausur in Wörlitz im Jänner mit Medienspekulationen über seinen weiteren Werdegang auf sich und stahl damit den neuen Fraktionsvorsitzenden die Show.
Auch seine späte Empfehlung an seine Partei, sich künftig für andere Koalitionsoptionen als die rot-grüne zu öffnen, sorgte nach seinem Abschied von der Fraktion nochmals für Wirbel. Fischer, der Rot-Grün verkörperte, wollte mit seinem Rückzug erklärtermaßen auch den Weg für bunte Konstellationen wie eine Jamaika-Koalition mit Union und FDP in der Zukunft freimachen. Seither schwelt zwischen Partei und Fraktion ein Streit darüber, wie weit die Öffnung gehen soll und wie bald sie nötig werden könnte.
Im Herbst geht Fischer, der als Außenminister die Beliebtheitsskala deutscher Politiker anführte, für ein Jahr als Gastprofessor an die amerikanische Universität Princeton. In den USA genießt er den Ruf eines politischen Vordenkers. Akzente setzte er beispielsweise mit seiner Rede zur Zukunft der Europäischen Union an der Berliner Humboldt-Universität 2000 oder mit seiner Rede zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen an der Woodrow Wilson School ein halbes Jahr nach Beginn des Irak-Krieges, zu dessen Kritikern er gehörte. Sein Engagement als Vermittler im Nahost-Konflikt galt als vorbildlich. Als Außenminister pflegte er freundschaftliche Beziehungen zu seinen jeweiligen amerikanischen Amtskollegen Madeleine Albright und Colin Powell.
Nicht zuletzt wegen seines außenpolitischen Prestige hatte auch die schwarz-rote Bundesregierung nichts dagegen, als Fischer vor wenigen Wochen in Teheran noch einmal sein Gewicht im Streit um die iranische Atompolitik einbrachte. Für Fischer ging es sicherlich auch darum, auf der internationalen Bühne nicht in Vergessenheit zu geraten. Unter Rot-Grün galt er lange als Anwärter für den Posten des EU-Außenministers, wenn nicht gar des EU-Kommissionspräsidenten. Auch ein Job bei den Vereinten Nationen schien in Frage zu kommen. Trotz seiner kategorischen Beteuerungen, er kehre der Politik endgültig den Rücken, hielt er sich ein Hintertürchen offen. Wenn Petrus ihn dereinst an der Himmelspforte frage, ob er Sonderbeauftragter des lieben Gottes auf Erden werden wolle, wie könne er sich dann anmaßen abzulehnen, sagte er augenzwinkernd bei seinem Abschied von der Fraktion.