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Kanada: Blutbad an Schule

Offenbar inspiriert vom Schulmassaker an der Columbine High School im US-Bundesstaat Colorado hat ein kanadischer Amokläufer an einer Oberstufenschule in Montreal ein Blutbad angerichtet.  

Der 25-jährige Täter schoss in der Cafeteria wahllos um sich, tötete eine junge Frau und verletzte mindestens 19 weitere Menschen, bevor er von Polizisten tödlich getroffen wurde. Sechs der Verletzten befanden am Donnerstag weiterhin im kritischen Zustand, zwei von ihnen schwebten in Lebensgefahr.

Augenzeugen zufolge schoss der junge Mann mit schwarzem Trenchcoat und Irokesenhaarschnitt am Mittwoch zur Mittagszeit schon vor dem Dawson College um sich. Anschließend betrat er das Gebäude und gab in der Cafeteria im zweiten Stock zahlreiche Schüsse ab. „Ich bin in den dritten Stock gerannt und schaute nach unten, und er hat immer noch geschossen“, berichtete der 19-jährige Schüler Derick Osei. Sein Klassenkamerad Devansh Smri Vastava sagte, der Täter sei mit einem großen Gewehr bewaffnet gewesen. „Ich hatte panische Angst,“ räumte Vastava ein. Er habe etwa 20 Schüsse gehört.

Die Behörden schlossen einen terroristischen Hintergrund aus. Laut Polizei handelte es sich um einen Einzeltäter aus dem Raum Montreal. Die Suche nach möglichen weiteren Tätern sei ergebnislos geblieben, hieß es. Das Motiv des Mannes blieb zunächst unklar, doch war der Web-Site des 25-Jährigen ein großes Interesse am Massaker von Columbine zu entnehmen, wo 1999 zwei Schüler, die ebenfalls Trenchcoats trugen, 13 Menschen und dann sich selbst töteten.

Der jetzige Täter liebte das Computerspiel „Super Columbine Massacre“ über alles, wie er selbst auf seiner Web-Site erklärte. Darauf sind mehr als 50 Fotos zu sehen, die den 25-Jährigen in Kampfstellung zeigen – mit seinem langen schwarzen Trenchcoat, Springerstiefeln und Gewehr. Ferner hat er seinen eigenen Grabstein ins Internet gestellt mit der Aufschrift: „Intensiv gelebt, jung gestorben, einen zerfleischten Leichnam zurückgelassen.“

“Ärger und Hass schwelen in mir“, heißt es an einer weiteren Stelle. Dieser Hass beziehe sich unter anderem auf Gymnasiasten sowie auf Country-Musik und HipHop. Auch bezeichnet sich der Täter als Todesengel. Der letzte Eintrag, in dem eine Faszination für den Tod zum Ausdruck kommt, erfolgte etwa zwei Stunden vor dem Amoklauf vom Mittwoch. All dies weist Parallelen zum Columbine-Massaker auf.

Polizeidirektor Yvan DeLorme erklärte, der Täter habe drei Waffen bei sich gehabt. Er habe wahllos um sich geschossen, bis er die Polizisten bemerkt und ins Visier genommen habe. Diese hätten seine Schüsse erwidert, während Schüler sich Schutz suchend auf den Boden warfen oder ins Freie rannten.

Ein Sondereinsatzkommando durchsuchte das College später mit Hunden nach Opfern. Auch zwei nahe gelegene Einkaufszentren und eine Kindertagesstätte wurden evakuiert. Der kanadische Ministerpräsident Stephen Harper sprach von einem feigen und sinnlosen Akt der Gewalt.

In dem auf einem 4,8 Hektar großen Gelände gelegenen Dawson College in Montreal werden rund 10.000 Schüler unterrichtet. Die 1969 gegründete englischsprachige Einrichtung – die größte derartige in der kanadischen Provinz Québec – ist zugleich Oberstufen- und Berufsschule.

Chronologie von Amokläufen

Das Blutbad am Dawson-College ist kein Einzelfall. Schon öfter hat es in Kanada derartige Vorfälle gegeben, zwei Mal bereits in Montreal:

20. April 2000: In einer Schule in Ottawa verletzt ein 15-Jähriger vier Mitschüler und eine Sekretärin mit einem Messer schwer.

29. April 1999: Ein 14-Jähriger erschießt an einer Schule in der westkanadischen Kleinstadt Taber (Provinz Alberta) einen ehemaligen Mitschüler. Der Jugendliche gilt als Nachahmungstäter des Massakers von Littleton im US-Bundesstaat Colorado. Dort hatten neun Tage zuvor zwei Teenager zwölf Schüler, einen Lehrer und sich selbst umgebracht.

25. August 1992: An der Concordia Universität in Montreal tötet Valerie Fabrikant, ein Professor der Ingenieursfakultät, vier Kollegen. Der Täter, der anschließend zu lebenslanger Haft verurteilt wird, hatte erfahren, dass seine Festanstellung abgelehnt worden war.

6. Dezember 1989: An der Polytechnischen Hochschule von Montreal kommt es zum schwersten Schulmassaker der kanadischen Geschichte. Der 25-jährige Marc Lepine erschießt vierzehn Frauen und verletzt 13 weitere Personen, bevor er sich selbst das Leben nimmt. In einem Schreiben nennt der Mann seinen Hass auf Feministinnen als Motiv.

Der letzte spektakuläre Amoklauf im Nachbarland USA ereignete sich am 21. März 2005 in einem Indianerreservat nahe der kanadischen Grenze. Damals erschoss der 16-jährige Jeff Weise in Red Lake (Minnesota) neun Personen, darunter fünf Schüler, und sich selbst.

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