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Nahost: Eskalation droht

Bei einem Raketenangriff militanter Palästinenser im Gaza-Streifen auf die israelische Stadt Sderot sind am Mittwoch eine Passantin getötet und ein Wachmann von Verteidigungsminister Amir Peretz schwer verletzt worden.

Nach dem ersten tödlichen Raketenangriff seit dem israelischen Abzug aus dem Gaza-Streifen im September des vergangenen Jahres sprachen der bewaffnete Arm der Hamas-Bewegung „Brigaden Ezzedin al-Kassam“ und die Organisation „Islamischer Heiliger Krieg“ (Jihad Islami) von einem Vergeltungsakt für den Tod von 19 palästinensischen Zivilisten bei dem israelischen Angriff auf Beit Hanoun in der vergangenen Woche. Sicherheitsminister Avi Dichter plädierte im Rundfunk für eine Ausweitung der Militäroffensive im Gaza-Streifen.

Die getötete Frau sei Mutter von zwei Kindern, teilte die israelische Polizei weiter mit. Bei dem 24-jährigen Verletzten handle es sich um einen Wachmann am Privathaus von Minister Peretz. Dem Mann mussten demnach beide Beine amputiert werden. Das Geschoss explodierte nur etwa 150 Meter vom Haus des Verteidigungsministers in Sderot. Der Bürgermeister Eli Mojal der 24.000-Einwohner-Stadt Sderot rief die Einwohner auf, sich nicht außer Reichweite von Schutzräumen zu begeben. Auf die Bürger Sderots werde „wie auf Hasen“ gezielt. Der Abschuss der meist primitiv gebauten Raketen aus dem Gaza-Streifen hat seit 2001 neun Israelis das Leben gekostet.

Peretz berief eine Sondersitzung des Sicherheitskabinetts ein und erklärte: „Terrororganisationen werden einen hohen Preis zahlen.“ Die Armee werde gegen alle vorgehen, die an den Raketenangriffen beteiligt gewesen seien, „von ihren Anführern bis zum letzten ihrer Terroristen“. Sicherheitsminister Dichter sagte, es seien sowohl „Boden- als auch Luftoperationen“ denkbar. Dichter hielt sich mit einer Delegation unter Regierungschef Ehud Olmert in Los Angeles auf, um am Jahrestreffen der jüdischen Gemeinden in den USA teilzunehmen. David Baker vom Büro Olmerts sagte, der Einsatz der Streitkräfte gegen die palästinensischen Raketenkommandos sei noch keineswegs beendet.

Hamas-Sprecher Fawzi Barhoum bezeichnete den Raketenangriff als Akt der Selbstverteidigung. Die regierende Hamas-Bewegung bereitet zurzeit eine gemeinsame Regierung mit der gemäßigteren Fatah des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas vor.

Islamische und arabische Staaten haben unterdessen den UNO-Menschenrechtsrat zur Untersuchung des Angriff in Beit Hanoun aufgefordert. Der Rat müsse eine Untersuchungskommission in den Gaza-Streifen schicken, hieß es in einem am Mittwoch in Genf eingebrachten Resolutionsentwurf, der von Bahrain und Pakistan im Namen von 23 weiteren Staaten vorgelegt wurde. In dem Text ist von „grausamen und systematischen Verletzungen der Menschenrechte des palästinensischen Volkes“ durch Israel die Rede. Der Entwurf fordert ein „dringendes internationales Vorgehen“. UNO-Menschenrechtskommissarin Louise Arbour kündigte einen Besuch in Nahost ab kommendem Sonntag an.

In Kairo kam das so genannte Nahost-Quartett zusammen, um über die Lage im Nahen Osten zu beraten. Das Treffen bedeutet laut US-Außenministerium jedoch keine größere Initiative, um einen Ausweg aus der Sackgasse der seit Jahren stockenden Friedensbemühungen zu finden, sondern sei nur eine „Lagebewertung“.

In Israel wünscht eine starke Bevölkerungsmehrheit den Rücktritt der Regierungs- und Militärspitze wegen des als Fehlschlag empfundenen 34-tägigen Libanon-Krieges vom vergangenen Juli und August. 53 Prozent sind der Meinung, dass Ministerpräsident Olmert demissionieren sollte, 59 Prozent erwarten diesen Schritt von Verteidigungsminister und Vizepremier Peretz und 62 Prozent von Generalstabschef Dan Halutz, wie die im Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durchgeführte Umfrage ergab.

Unterdessen ist der unter Vergewaltigungsverdacht stehende israelische Staatspräsident Moshe Katzav am Mittwoch erneut von der Polizei befragt worden. Es handle sich bereits um die sechste Befragung, sagte ein Polizeisprecher in Jerusalem. Dabei ging es um die Beschuldigungen zweier Frauen, über die der Staatschef bisher noch keine Auskünfte gegeben hat, und um mögliche Behinderungen bei den Untersuchungen. Die israelische Justiz ermittelt wegen Vergewaltigung und sexueller Belästigung gegen Katzav. Der Präsident bestreitet die Vorwürfe und lehnt einen Amtsverzicht ab.

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