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Türkei: Papst erstmals in Moschee

Papst Benedikt XVI. wird bei seiner Türkei-Reise in der kommenden Woche vermutlich erstmals auch eine Moschee besuchen, auf dem Plan steht die Blaue Moschee in Istanbul.

Eine Besichtigung sei vom Vatikan wie auch von der Türkei erwünscht und werde derzeit geprüft, sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am Samstag. Bisher stand eine solche Visite nicht auf der Agenda der Türkei-Reise. Doch der Besuch des berühmten islamischen Gotteshauses dürfte als Versöhnungsgeste des Papstes gesehen werden, der wegen seiner Äußerungen zum Islam bei seiner Deutschland-Reise im September heftig in die Kritik geraten war.

Aus Vatikan-Kreisen hieß es, eine kurze Besichtigung sei sehr wahrscheinlich und sei von türkischer Seite vorgeschlagen worden. Es wäre Benedikts erster Besuch eines islamischen Gotteshauses. Die Sultan-Ahmed-Moschee, auch Blaue Moschee genannt, wurde Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut und ist eine der größten Touristenattraktionen des Landes. Sie steht direkt gegenüber der berühmten Hagia Sophia, einem weiteren Programmpunkt des Papstes auf seiner Reise.

Die Türkei-Reise des Papstes vom 28. November bis 1. Dezember ist die schwierigste seines bisherigen Pontifikats. Zwei Monate nach der Rede in Regensburg stehen die vier Tage in der Türkei ganz im Zeichen der Bemühungen, den Dialog zu suchen. Benedikt hatte in einer Vorlesung in der bayerischen Domstadt einen byzantinischen Kaiser zitiert, der den Islam als gewalttätig und irrational beschrieb. Die Rede löste eine Welle des Protests in der islamischen Welt aus.

Der Papst bedauerte das Missverständnis, zog seine Worte aber nicht zurück. Der Chef der obersten Religionsbehörde in der Türkei, Ali Bardakoglu, forderte Benedikt nun im Vorfeld ihrer Begegnung auf, den friedlichen Charakter des Islams ausdrücklich anzuerkennen. Die Spannungen nehmen in der Türkei kurz vor der Reise des Papstes zu. Für das Wochenende hatten eine islamistische Partei sowie mehrere nationalistische Gruppen eine Großdemonstration in Istanbul gegen den Besuch angekündigt.

Nach ursprünglich vorgebrachten Terminproblemen will sich der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan nun doch Zeit für ein kurzes Treffen mit Papst Benedikt XVI. nehmen. Ein namentlich nicht genannter türkischer Regierungsvertreter sagte Reuters am Freitag, man sei mit dem Vatikan im Gespräch. Es solle für Dienstag ein Treffen auf dem Flughafen von Ankara zum Empfang des Papstes arrangiert werden. Gleich anschließend reist Erdogan zum NATO-Gipfel nach Riga.

Erdogans Büro hatte noch vor wenigen Tagen mitgeteilt, der Terminkalender des Regierungschefs sei so dicht gedrängt, dass keine Zeit für ein Treffen mit dem Papst bleibe. Es sei allerdings ein Missverständnis, dass der gemäßigte Islamist Erdogan den Papst wegen dessen umstrittener Islam-Rede nicht sehen wolle, sagten Regierungsvertreter.

Die Sicherheitsmaßnahmen sind für den Besuch wegen der gespannten Situation entsprechend rigoros: Die Alitalia-Maschine des Papstes wird von F16-Abfangjägern der türkischen Luftwaffe zum Boden begleitet werden. Nach seiner Ankunft wird Benedikt mit einem gepanzerten Auto durch Ankara gefahren. Die Innenstadt soll völlig gesperrt werden, während überall auf den Häusern Scharfschützen positioniert werden.

Proteste erwartet

Hunderttausende Türken wollen am Sonntag gegen den bevorstehenden Papst-Besuch demonstrieren. Der Istanbuler Chef der islamistischen Partei der Glückseligkeit (Saadet Partisi), Osman Yumakogullari, organisierte eine große Massendemonstration gegen Benedikt XVI., berichtet die Türkei-Korrespondentin von „Spiegel Online“, Dilek Zaptcioglu, am Samstag.

„Wir respektieren alle Religionen. Aber der Papst hat unseren Propheten beleidigt und damit den Hass des Westens auf den Islam ausgekotzt“, erklärte Yumakogullari, der in Deutschland vom Verfassungsschutz in den neunziger Jahren als Chef der islamistischen Milli Görüs beobachtet wurde.

Hunderttausende werden zu dem Protest am Sonntag auf dem zentralen Caglayan-Platz erwartet. 1.500 Busse aus Istanbul und 550 aus ganz Anatolien sollen die Massen dorthin karren. Den Auftakt machte ein gemeinsames Freitagsgebet in der Blauen Moschee, danach ein Besuch der Islamisten in der Hagia Sophia.

Die einst in eine Moschee, dann 1934 in ein Museum umgewandelte christliche Kirche wurde vor Kurzem von etwa 40 jungen Muslimen besetzt. Vor den Augen verblüffter Touristen begannen sie zu beten. Die „Alperen“, Anhänger der rechtsextremen Großen Einheitspartei (BBP), forderten Benedikt XVI. in einer Presseerklärung auf, nicht in die Türkei zu kommen: „Papst, fordere unsere Geduld nicht heraus!“

Die BBP ist ein Ableger der rechtsextremen Nationalen Bewegungspartei (MHP) in der Türkei, deren Anhänger als „Graue Wölfe“ bekannt sind. Umfragen zeigen, dass die extreme Rechte die zweitstärkste Fraktion im Parlament werden könnte, würde in der Türkei jetzt gewählt.

Die einfachen Formeln, so Zaptcioglu, die in der Türkei gerade kursierten, lauteten: „Die EU will die Türkei nicht“, „Der Westen ist auf einem Kreuzzug gegen den Islam“ und „Muslime werden in aller Welt niedergemetzelt“.

Die ungelöste Zypern-Frage, der EU-Beitritt der Türkei, die Beleidigung des Propheten in dänischen Karikaturen – alle Fäden scheinen nach Ansicht vieler Türken im Vatikan zusammenzulaufen. Ratzinger sei „hinterlistig und ignorant“, wollen die Demonstranten am Sonntag skandieren: „Papa gelme!“ – „Papst, komm nicht!“

Der Protest wird auch von prominenter Seite unterstützt. Für den Publizisten Aytunc Altindal gibt es keine Zweifel daran, dass Benedikt XVI. unlautere Absichten hat. Der Verfasser mehrerer Bücher über den Vatikan und das Papsttum vermutet mehrere zwielichtige Gründe für dessen Besuch in der Türkei. Das Oberhaupt der katholischen Kirche wolle die Türkei zur Rückgabe christlichen Eigentums zwingen.

Altindal aber wittert eine noch größere Verschwörung. Istanbul solle von einer muslimischen Stadt in das geistige Zentrum der christlich-orthodoxen Welt umgewandelt werden – zurück zu Byzanz. Da gewinne die Hagia Sophia eine neue Symbolik.

Angesichts des Massenprotestes gegen den Papst will sich kein prominenter türkischer Politiker mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche fotografieren lassen, schreibt Zaptcioglu, die als Romanautorin und Deutschlandkorrespondentin der türkischen Tageszeitung „Cumhürriyet“ tätig ist.

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