Die viertelstündige Unterredung soll am Dienstag im internationalen Flughafen Esemboga stattfinden, wo die päpstliche Maschine um 13.00 Uhr erwartet wird, bevor der Premier zum NATO-Gipfel nach Riga fliegt. Vatikansprecher Federico Lombardi sprach in einer ersten Reaktion von einem positiven Zeichen und drückte hohe Wertschätzung für die aufmerksame Geste aus. Zunächst hatte es geheißen, der türkische Regierungschef wolle aus Rücksicht auf seine konservativ-islamische Wählerschaft eine Begegnung mit dem Papst vermeiden. Erdogan war deswegen von türkischen Intellektuellen kritisiert worden. Anders als seine Vorgänger Paul VI. 1967 und Johannes Paul II. 1979 wird Benedikt bei der Ankunft nicht von der türkischen Staatsführung offiziell begrüßt. Als vatikanisches Staatsoberhaupt wird er nach dem protokollarischen Besuch des Mausoleums des Republik-Gründers Atatürk von Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer empfangen. Anschließend ist ein Treffen mit dem Chef der staatlichen Religionsbehörde (Diyanet), Ali Bardakoglu, vorgesehen.
Nach den Worten Bardakoglus wird der Besuch den Groll der Muslime über islamkritische Äußerungen des Papstes nicht aus der Welt schaffen können. Die Reise sei aber trotz allem ein guter Schritt, sagte der Leiter der Religionsbehörde in einem am Montag von der Tageszeitung Aksam veröffentlichten Interview. Nach allem, was geschah, ist der Besuch trotz allem ein guter Schritt. Man darf diese Reise aber nicht als einen ausreichenden Schritt betrachten, um das Tor zum Dialog zu öffnen und den Groll zu besänftigen, der durch die unglückliche Erklärung verursacht worden ist, sagte Bardakoglu in Anspielung auf die Rede in Regensburg, in der Benedikt XVI. im September den byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaiologos (1350-1425) mit den Worten zitiert hatte, der Prophet Mohammed habe nur Schlechtes und Inhumanes gebracht, wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten. Das Zitat hatte zu heftigen Protesten in islamischen Ländern und zu Mordaufrufen gegen den Papst geführt, der immer wieder betont hat, dass der Inhalt des Zitats nicht seine eigene Meinung ausdrücke.
Außenminister Abdullah Gül hat seinerseits der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass der Besuch helfen könnte, die Missverständnisse zwischen Muslimen und Christen auszuräumen. Der Papst wird in Istanbul auch die Blaue Moschee (Sultan-Ahmed-Mochee) besuchen. Benedikt XVI. ist der zweite Papst, der eine Moschee besucht, im Mai 2001 hatte sein Vorgänger Johannes Paul II. die Omayaden-Moschee in Damaskus aufgesucht.
Höhepunkt des Papst-Besuches ist am Donnerstag die Liturgie zum Fest des Heiligen Andreas mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. im Phanar in Istanbul. Das Oberhaupt der Weltorthodoxie gilt als 270. Nachfolger des Apostels Andreas, des leiblichen Bruders des ersten Papstes Petrus. Die beiden Kirchenoberhäupter werden eine gemeinsame Erklärung unterzeichnen, nachdem der (1979 aufgenommene) theologische Dialog zwischen Katholiken und Orthodoxen im September nach jahrelanger Unterbrechung wieder aufgenommen worden ist. Für Benedikt XVI. ist die Ökumene mit der Ostkirche ein besonderes Anliegen.
Der Ökumenische Patriarch wollte das Andreas-Fest am 30. November schon 2005 gemeinsam mit dem Papst feiern, doch die türkische Regierung lehnte damals ab und sprach ihre Einladung erst für 2006 aus. Der Kirchengipfel ist der neunte seit dem historischen Bruderkuss von Paul VI. und Patriarch Athenagoras I. im Jänner 1964 in Jerusalem und der 1965 erfolgten Aufhebung des Bannspruchs, den Rom und Konstantinopel im Jahr 1054 gegeneinander verhängt hatten.