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EU-Gipfel: Klarer Kurs für Erweiterungen

Eine schwierige Grundsatzdebatte über den künftigen Erweiterungskurs der EU steht den europäischen Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel ins Haus.

Umstritten ist dabei auch, ob die EU kurz vor den Parlamentswahlen in Serbien am 21. Jänner ein positives Signal an die Region senden soll, obwohl Belgrad noch immer nicht ausreichend mit dem UNO-Kriegsverbrechertribunal zusammenarbeitet. Auch der EU-Verfassungsprozess ist ein Thema des Gipfels, ohne dass jedoch Entscheidungen anstehen.

Der italienische Regierungschef und Ex-Kommissionspräsident Romano Prodi hat sich in einem Brief an seine Kollegen für einen neuen „europäischen Konsens zum Westbalkan“ stark gemacht. Italien tritt an vorderster Front dafür ein, die auf Eis gelegten Gespräche mit Serbien über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) wieder aufzunehmen, obwohl Belgrad die EU-Forderung nach Auslieferung des Kriegsverbrechers Ratko Mladic nicht erfüllt hat.

Gemeinsam mit Österreich, Ungarn und Slowenien drängt Italien darauf, dass die EU die volle Zusammenarbeit mit Den Haag erst zum Abschluss der SAA-Gespräche zur Bedingung macht. Österreich argumentiert, auch bei Kroatien sei die volle Kooperation mit dem UNO-Tribunal erst bei der Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen verlangt worden. Sollten die radikalen Kräfte bei den serbischen Wahlen gewinnen, wäre dies „ein gefährlicher Cocktail“ angesichts der bevorstehenden UNO-Entscheidung über den Status des Kosovo, sagte ein Diplomat. Gegen ein Aufweichung der bisherigen EU-Linie sind mehrere Staaten, darunter etwa die Niederlande. Die NATO-Staaten haben Serbien erst kürzlich bei ihrem Gipfel in Riga eine „Partnerschaft für den Frieden“ angeboten, womit die Allianz auf Druck der USA ihre bisherige strenge Linie aufgegeben hat.

Die grundsätzliche Erweiterungsdiskussion dreht sich um die Aufnahmefähigkeit der EU. Erweiterungskommissar Olli Rehn, der lieber von „Integrationsfähigkeit“ spricht, will für mögliche Beitritte weiterer Staaten keine geographischen Grenzen setzen, hat aber eine stärkere Abschätzung der finanziellen und politischen Folgen in Aussicht gestellt. Österreich, Frankreich und die Niederlande wollen die Aufnahmefähigkeit der EU zur Bedingung für jegliche Erweiterung machen. Dahinter steht nicht nur die Frage, ob die EU eines Tages auch Länder wie die Ukraine und Moldawien aufnehmen kann, sondern auch das Tauziehen um die Beitrittsgespräche mit der Türkei. Nach dem Beschluss der Außenminister vom Montag, acht von 35 Verhandlungskapiteln mit Ankara wegen des Zypern-Streits auf Eis zu legen, wird sich der Gipfel aber nicht mehr eingehend mit der Türkei befassen.

Zum EU-Verfassungsprozess wird es lediglich einen mündlichen Zwischenbericht des finnischen EU-Ratsvorsitzenden Matti Vanhanen über bisherige Konsultationen mit allen EU-Staaten geben. Finnland hat Anfang Dezember als 16. Mitgliedstaat das Grundgesetz ratifiziert. Nach dem Nein der Franzosen und Niederländer zu dem Verfassungsvertrag im Vorjahr gilt es als sicher, dass es Änderungen geben wird. Diplomaten in Brüssel erwarten, dass nach Ende der deutschen Ratspräsidentschaft im nächsten Halbjahr neue Verhandlungen der EU-Regierungen einberufen werden. Die EU hat sich bis Ende 2008 Zeit gegeben, um das Verfassungsdilemma zu lösen. Eine Neuordnung der EU-Institutionen ist auch Voraussetzung für künftige Beitritte. Im Einladungsbrief an seine Kollegen schreibt Vanhanen, er rechne nicht mit einer inhaltlichen Debatte zur EU-Verfassung am Gipfel.

Auf Druck der südlichen EU-Staaten debattieren die Staats- und Regierungschef auch über eine gemeinsame Migrationspolitik. Dabei geht es darum, wie die EU angesichts der Flüchtlingsströme mit gezielten Investitionen Jobs in Afrika schaffen kann, und gleichzeitig das Grenzmanagement verstärkt. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll besser ausgestattet werden.

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