Sie streift vermutlich noch immer in der Oberpfalz umher, im Dezember wurde sie erneut gesichtet. Zuletzt musste vor wenigen Wochen ein schwer verletzter Elch nahe dem niederbayerischen Breitenberg bei Passau nach dem Zusammenstoß mit einem Auto erschossen werden.
Die Tiere wandern offenbar über die Grüne Grenze aus dem benachbarten Tschechien nach Bayern. Nachdem auch schon Luchse, Wölfe und zuletzt Braunbär Bruno in den Freistaat gekommen sind, müssen sich die Menschen und Behörden nun mit Tieren auseinandersetzen, die jahrhundertelang bei uns allenfalls im Zoo bestaunt werden konnten.
Den Grund für die Wanderschaft der Elche sieht der Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald, Karl Friedrich Sinner, darin, dass die Tiere in jenen Gebieten Europas, in denen sie überlebt haben, konsequent geschützt werden und sich dort stark vermehren. So steigt der Populationsdruck und die Jungtiere suchen nach Möglichkeiten, ihren ursprünglichen Lebensraum wieder zu besiedeln.
Tiere kommen aus Polen
Das Phänomen tritt seit dem Fall des Eisernen Vorhangs auf. Zuvor hielten die gut gesicherten Grenzanlagen die Elche von Ausflügen ins Nachbarland ab. Ich habe den Eindruck, dass mittlerweile spätestens jedes zweite Jahr ein Einzeltier gesichtet wird, meint der Nationalpark-Chef. Auch in Ostdeutschland wandern immer wieder Elche aus Polen umher. Dort leben mehr als 4000 Elche, in Tschechien werden rund 30 der großen Hirsche vermutet. Ein Teil davon hält sich in unmittelbarer Nähe zur bayerischen Grenze im Nationalpark Sumava auf.
Mit Prognosen, ob und wann sich die Tiere in Bayern tatsächlich wieder ansiedeln, tun sich die Experten allerdings schwer. Das ist eine Abstimmung auf leisen Hufen, sagt Kai Frobel, Artenschutzreferent beim Bund Naturschutz (BN). Bis die Tiere in Bayern bleiben und hier Familien gründen, könnten noch Jahrzehnte vergehen. Der Prozess läuft relativ unbemerkt ab und ist nicht prognostizierbar.
Wahrscheinlicher sei eine Rückkehr nach Brandenburg, meint der BN-Experte. Dort biete die Landschaft den Elchen bessere Bedingungen. Die Tiere – die Bullen werden bis zu 800 Kilo schwer – mögen gerne waldreiche Gebiete mit vielen Gewässern. Elche stehen beim äsen gern bis zum Bauch im Wasser, sagt Frobel.
In Bayern gilt der Truppenübungsplatz Grafenwöhr mit seinen riesigen Flächen ohne Bewirtschaftung und Verkehr als besonders geeignet für Elche. Auf dem Militärareal sind die Tiere willkommen. Wir sehen das als Bereicherung der Natur, sagt der Leiter des zuständigen Bundesforstbetriebs, Ulrich Maushake. Immerhin ist eine Elchkuh schon mehrmals auf dem Truppenübungsplatz gesehen worden. Manche behaupten auch, dass ein männlicher Elch dabei ist, sagt Maushake. Die Förster in den Wäldern bei Auerbach sprechen sogar von drei Elchen.
Genaue Zahl unbekannt
Generell sind Elchsichtungen allerdings sehr selten. Wer in Ostbayern die seltenen Tiere auf jeden Fall live erleben will, muss bislang den Bayerwald-Tierpark Lohberg im Landkreis Cham besuchen, wo mehrere Elche leben. Ansonsten weiß niemand genau, wie viele wild lebende Elche schon bayerische Luft geschnuppert haben oder derzeit im Freistaat unterwegs sind. Die Daten der Beobachtungen werden nirgends zentral gesammelt.
Das soll sich nun mit einem Elchplan ändern. Der Freistaat will sich mit einem speziellen Konzept auf eine verstärkte Zuwanderung der Elche vorbereiten. Dabei soll ein Monitoring klären, wie viele Elche sich an welchen Orten im Freistaat aufhalten. Zudem soll der Umgang mit den Tieren festgelegt werden.
Spannend könnte es im kommenden Herbst werden. Dann ist bei Elchen Brunftzeit. Auf der Suche nach paarungswilligen Weibchen lassen die männlichen Tiere ihre typischen Schreie erklingen und suhlen sich in selbst gebauten Gruben. Wenn dann ein Bulle auf eine Kuh trifft, könnte das die Neugeburt der bayerischen Elche sein. Viel Zeit braucht es dafür nicht – eine Paarung dauert nur wenige Sekunden.